Ein Gruß für Heinz-Robert Schlette zum 90sten Geburtstag

Diesen Blick von der Terrasse aus hat auch schon Albert Camus genossen: Abenddämmerung in Lourmarin. ©Foto: Anne-Kathrin Reif
Prof. Dr. Dr. Heinz Robert und Dr. Ruth Schlette auf der Terrasse des Hauses Camus 2018. ©Foto: akr

Du liest die Überschrift und denkst, dieser Gruß zu Deinem heutigen 90sten Geburtstag kommt von mir, lieber Heino? Weit gefehlt! Meinen hast du heute hoffentlich im Briefkasten. Dieser hier kommt aus Lourmarin, und ich bin nur die Übermittlerin.

Fast dein ganzes Leben hast du mit Albert Camus verbracht, Du hast der deutschsprachigen Camusforschung den Weg bereitet und ihr 60 Jahre lang, bis heute, immer neue Impulse gegeben. Das Werk und Denken Camus‘ waren dabei ein Forschungsgegenstand, den Du unvoreingenommen und mit professioneller Distanz betrachtet hast. Wie sehr diese Beschäftigung mit Werk und Denken Camus‘ mit den Jahren auch Dein eigenes Leben und Denken durchdrungen hat, kann, wer aufmerksam ist, in und zwischen den Zeilen in Deinen Aufzeichnungen Existenz im Zwielicht wahrnehmen. Ich vermute, Du hattest, als Du vor über 60 Jahren anfingst, Dich Camus zuzuwenden, noch nicht erwartet, dass er einmal ein Lebensbegleiter werden würde. Dass Du einst bei Sonnenuntergang ein Glas Wein auf dessen Terrasse in Lourmarin trinken und den selben Blick in den Olivenhain genießen würdest wie er. Und auch nicht, dass Du dort, im Hause Camus, einmal selbst einen sicheren Platz im Herzen haben würdest. Was für eine schöne, eine lange Wegstrecke… Und so übermittele ich Dir heute sehr, sehr gerne diesen Geburtstagsgruß von Catherine Camus – und schließe mich an: Je me permets de vous embrasser, verehrter Professor Schlette, cher Heino – und bonne anniversaire!

Ein Geburtstaggruß an Heinz Robert Schlette von Catherine Camus.

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Über die Zerrissenheit in Camus‘ Roman „Die Pest“

„Die Natur ist das, was sich der Geschichte und der Vernunft entzieht.“

Albert Camus, Die Zeit der Mörder (1949) in Vorträge und Reden 1937-1958, Rowohlt 2021, S. 148

Kaum ist die schöne Camus-Ringvorlesung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf abgeschlossen, ist schon ein neuer Vortrag anzukündigen – diesmal im Rahmen der ebenfalls sehr schönen Veranstaltungsreihe „Solidarität neu befragen“ – Die Universität Bremen liest Albert Camus‘ Die Pest, über die hier im Blog auch schon zu lesen war.

Holger Vanicek, Vorsitzender der Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen und auch bekannt unter seinem literarischen Pseudonym Sebastian Ybbs, beschäftigt sich schon seit längerer Zeit mit dem Thema der „Zerrissenheit“ bei Albert Camus. Diesmal richtet er sein Augenmerk unter dieser Leithinsicht speziell auf den Roman „Die Pest“. Thema des Vortrags am morgigen Mittwoch, 21. Juli 2021, ist mithin

„Die Zerrissenheit in Camus‘ Roman ,Die Pest’“

dazu schreibt er: 

„Wir erleben momentan, teils aus nächster Nähe, ein für die meisten von uns bisher ungekanntes Drama. Ohne den Vergleich allzu sehr bemühen zu wollen, sei doch gesagt, dass die Menschen, die unmittelbar von der Hochwasserkatastrophe betroffen sind, ähnlich wie die Figuren in Camus‘ Roman Die Pest, an die Grenzen ihrer so sicher geglaubten Wirklichkeit stoßen. Solidarität bedeutet in diesen Tagen in erster Linie, tatkräftige Hilfe zu leisten. Deshalb fühlt es sich für mich merkwürdig an, ebendiese zu unterbrechen, um nach Bremen zu reisen, wo ich einen Vortrag halten werde. Doch das Thema versöhnt mit dieser besonderen Situation. Es geht um die Zerrissenheit in Albert Camus‘ Die Pest, jenes Buch, das vielfach als Roman über die Solidarität verstanden wird. Vielleicht mögt Ihr/mögen Sie mit mir über die fiktiven Geschehnisse in der Pest im Vergleich zu den Begebenheiten, die uns selbst widerfahren, reflektieren.“

Termin: 
Mittwoch, 21. Juli 202119 Uhr, im Haus der Wissenschaft Bremen. Auch online auf Zoom unter diesem link (Kenncode: 252954)

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Düsseldorfer Ringvorlesung (11): Zum Abschluss ein Ausblick auf das „Stadium der Liebe“ im Werk von Albert Camus

Noch im Werden…

Nicht nur Studierende in Düsseldorf, sondern auch etliche weitere Camus-Freundinnen und -Freunde (mich eingeschlossen) hatten in den vergangenen Wochen Montagnachmittags einen festen Termin: Die Camus-Ringvorlesung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat in bislang zehn Etappen ein vielgestaltiges, viele Facetten des Denkens von Albert Camus abdeckendes Bild geboten. Schon jetzt ist den Organisatoren Oliver Victor und Dennis Sölch abschließend für die vielseitige Auswahl der Referenten und ihre einlässliche und kenntnisreiche vertiefende Moderation der Wortbeiträge zu danken. Aus der Corona-Not geboren nicht als Präsenzveranstaltung, sondern im digitalen „Stream“ übertragen konnte die Reihe dabei ein breiteres Publikum erreichen und gehört so zweifellos zu den Corona-Gewinnern, von denen es ja nicht allzu viele gibt.

Am kommenden Montag, 12. Juli 2021, steht nun die letzte Vorlesung der Reihe an, und es fühlt sich etwas merkwürdig an, mich selbst anzukündigen. Deshalb belasse ich es schlicht bei der bewährten Form und übernehme wie bisher den übermittelten Ankündigungstext der Referentin ;-). Anne-Kathrin Reifs Vortrag steht unter dem Titel:

‚Die Welt bietet keine Wahrheiten, sondern Liebesmöglichkeiten.‘ Zur
Genese und Bedeutung des geplanten ‚Stadiums der Liebe‘ im Werk von
Albert Camus

Dazu schreibt sie:

Bis heute wird das Denken von Albert Camus weitestgehend mit den Begriffen des Absurden und der Revolte identifiziert. Camus hat sein Werk jedoch auf drei ‚Stadien‘ hin angelegt: Das dritte sollte das der Liebe sein. Sein früher Unfalltod im Jahr 1960 verhinderte die Ausarbeitung des dritten, abschließenden Werkstadiums. Was lässt sich dennoch über diesen geplanten Werkzyklus sagen, und inwieweit erscheint diese Fortsetzung des Denkweges von Albert Camus im Kontext seiner Philosophie schlüssig? Anne-Kathrin Reif stellt ihren
Interpretationsansatz vor, der nicht nur manche bekannte Werke in neuem
Licht erscheinen lässt, sondern auch die Bedeutung Albert Camus‘ für
ein gegenwärtiges Philosophieren neu bestimmt.

Zur Person:
Dr. Anne-Kathrin Reif promovierte über die Bedeutung der Liebe im Werk von Albert Camus an der Bergischen Universität Wuppertal (FB Philosophie) bei Prof. Dr. Wolfgang Janke. 2013 veröffentlichte sie auf der Basis ihrer Forschungen die umfassende Monographie Albert Camus – Vom Absurden zur Liebe. Ebenfalls seit 2013 führt sie den Blog www.365tage-camus.de. Sie ist seit vielen Jahren als Kulturjournalistin und -redakteurin tätig und lebt in Wuppertal.

Veröffentlichungen zu Albert Camus:
Albert Camus – Vom Absurden zur Liebe. Djre Verlag, Königswinter 2o13, 443 Seiten, broschiert, 21,90 Euro. Mehr dazu hier.

Vom Absurden zur Liebe – der unbekannte Camus, in: Willi Jung (Hg.): Albert Camus oder der glückliche Sisyphos – Albert Camus ou Sisyphe heureux (Bd. 4 der Reihe Deutschland und Frankreich im wissenschaftlichen Dialog). Bonn University Press/ V&R unipress, Göttingen 2013, 460 Seiten, geb., 59,99 Euro (S. xx – xx)

L‘amour: du début secret et de l‘objectif du cheminement de la pensée d‘Albert Camus, in: Le Cycle inachevé – le cycle de l‘amour, Éditions des Offray 2018.

***

Die Ringvorlesung läuft bis zum 12. Juli 2021 und wird über das Internet gestreamt. Alle vorausgegangenen Termine im Blog hier

Die Vorträge mit anschließendem Zoom-Gespräch finden  jeweils von 16.30 bis 18 Uhr statt. Alle Interessierten, die sich nicht über das Studierendenportal der Uni Düsseldorf anmelden können, wenden sich bitte per Mail an Oliver.Victor@uni-duesseldorf.de, um die Zugangsdaten zu erhalten. Bitte beachten Sie, das Gasthörer herzlich willkommen sind, bei der Diskussion jedoch die Studierenden Vorrang haben.


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Düsseldorfer Ringvorlesung (10): Mit Mario Wintersteiger und Albert Camus in dessen „geistige Urheimat“, ans Mittelmeer

Schon neigt sich die Vorlesungszeit dem Ende entgegen, und so steht bereits am kommenden Montag, 5. Juli 2021, der vorletzte Vortrag in der Camus-Ringvorlesung an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf an. Nachdem Hans Schelkshorn aus Wien in der vergangenen Woche Camus‘ Denken in den Kontext der Lebensphilosophie gerückt hat, geht es diesmal vor allem um Camus‘ politische Philosophie. Dazu hält Mario Wintersteiger einen Vortrag mit dem Titel:

„Natur, Geschichte und die Tradition des Mittelmeeres. Zur politischen Geophilosophie von Albert Camus“

Dazu schreibt er:

„Die geistige Urheimat von Albert Camus, jene Welt, der er sich nach eigenem Bekunden am nächsten fühlte, war die der antiken Mythologie. Im griechischen Denken sah er zudem die Quintessenz einer mediterranen Kultur, zu der er selbst sich leidenschaftlich bekannte. Schon in seiner 1937 gehaltenen Rede zur Eröffnung einer Maison de la culture in Algier reiht er sich ein in eine Tradition des Mittelmeeres, die er sowohl gegen den protestantischen Geist des Nordens als auch gegen die nationalistische Vereinahmung im Süden verteidigen möchte. Das Lob der Landschaften des Südens und der Mentalität der dort lebenden Menschen durchzieht zudem alle Mittelmeer-Essays von Camus. Und auch im
Schlusskapitel seines Buches L’Homme révolté (1951) nimmt der mediterrane „Sonnengedanke“ die Form einer politischen Philosophie an, die sich gegen alle Erscheinungsformen der „deutschen Ideologie“ (vom Marxismus bis zum Nationalsozialismus) stellt. Auch wenn Camus nicht deterministisch denkt und seine philosophische Landkarte daher nicht streng geographisch zu verstehen ist, so ist doch kaum zu übersehen, dass er mit Vorliebe auf Motive zurückgreift, die
man als „geophilosophisch“ bezeichnen kann. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, seine „mythische Geographie“ (Ernst Cassirer) nachzuzeichnen und so auch die Hauptkonfliktlinie seines politischen Denkens (Natur versus Geschichte) zu kartographieren. Wie Camus in L’exil d’Hélène andeutet, liegt das neue Salamis an einem Ort, an dem die Erben der mediterranen Tradition gegen die Barbarei der politischen Geschichtsmetaphysik antreten.“

Zur Person:
Dr. Mario Wintersteiger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Paris-Lodron-Universität Salzburg, wo er auch seine Studien absolviert hat (Promotion 2011; Schwerpunkt: Politische Theorie und
Ideengeschichte); daneben Lehr- und Vortragstätigkeit in akademischen
Austauschprogrammen und außeruniversitären Bildungseinrichtungen;
2017-2019 Chefredakteur der Österreichischen Zeitschrift für
Politikwissenschaft (ÖZP); 2009-2012 Mitglied der ARGE „Politik – Religion – Gewalt“ der Österreichischen Forschungsgemeinschaft (ÖFG). Seine Forschungsschwerpunkte sind: Politische Mythologie, Politik und Ästhetik, Politische Anthropologie.

Publikationen (Auswahl):
Das Ästhetische als sozialer Wert. Zur Begründbarkeit der Schönheit
als Wertvorstellung
(Salzburger Beiträge zur Sozialethik 6), Salzburg
2014 [http://www.ifz-salzburg.at/uploads/SBSE.6.Wintersteiger.06.2014.pdf].

The Beneficial Poison of Mythology. Reflections on Georges Bataille’s
Anthropology of Myth and Violence
, in: Religion, Violence, and Ideology.
Reflections on the Challenges of Postmodern World
, hrsg. v. Vojko
Strahovnik/Bojan Zalec, Zürich 2016, S. 65-71.

Der mediterrane Mythos als kritische Theorie der Moderne. Griechisches
Erbe und Ideologiekritik bei Albert Camus
, in: Zeitschrift für
Praktische Philosophie 4 (2017), H. 2, S. 87-106
[https://doi.org/10.22613/zfpp/4.2.4].

Schönheit, Kunst und Macht. Politischer ‚Ästhetizismus‘ aus
‚ästhetisch-politologischer
‚ Sicht, in: Jahrbuch Politisches Denken
2018, Bd. 28, Berlin 2020, S. 81-101.

Enlightenment from the Orient: The ,Philosophical Esotericism‘ of the
Falasifa
, in: Bogoslovni vestnik/Theological Quarterly 80 (2020), H.
3, S. 585-594 [https://doi.org/10.34291/BV2020/03/Wintersteiger].

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Die Ringvorlesung läuft bis zum 12. Juli 2021 und wird über das Internet gestreamt. Alle Termine im Blog hier

Die Vorträge mit anschließendem Zoom-Gespräch finden  jeweils von 16.30 bis 18 Uhr statt. Alle Interessierten, die sich nicht über das Studierendenportal der Uni Düsseldorf anmelden können, wenden sich bitte per Mail an Oliver.Victor@uni-duesseldorf.de, um die Zugangsdaten zu erhalten. Bitte beachten Sie, das Gasthörer herzlich willkommen sind, bei der Diskussion jedoch die Studierenden Vorrang haben.

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Die Briefe von Albert Camus und Maria Casarès – was für ein Geschenk!

Hätte ich auf das Wiederauftauchen meines bei DHL verschollenen Exemplars des kürzlich erschienenen Briefwechsels von Albert Camus und Maria Casarès gewartet, könnte ich immer noch nicht mit dem dicken Wälzer und einem Kaffee im Garten sitzen. Aber da der Rowohlt-Verlag so nett war, mir ein zweites Presseexemplar zu schicken, kann ich mich jetzt endlich hineinvertiefen. Und das ziemlich wörtlich, denn schon die ersten Briefe (allesamt von Albert Camus, da die Antworten von Maria Casarès in der ersten Phase ihres Briefwechsels 1944 nicht erhalten sind) üben auf mich den Sog einer Untiefe im offenen Meer aus. Die Bedingungslosigkeit, mit der Camus sich in diese Liebe stürzt, ist atemberaubend, sein Bitten, Flehen, Fordern, Warten, Hoffen, Bangen, Leiden ist bestürzend. In der Tat: So kannten wir ihn nicht.

Das konstatieren auch so ziemlich alle Rezensenten und Rezensentinnen, die als Grundlage ihrer unverzüglich erschienenen Kritiken wohl kaum alle die kompletten 1569 Seiten gelesen haben können. Natürlich erwartet man das auch nicht, man erwartet, dass eine Rezension zeitnah zur Veröffentlichung erscheint. Zum Glück habe ich mein Leben als Tageszeitungsredakteurin hinter mir gelassen und brauche mich an solcherart Spielregeln nicht mehr zu halten.

Vielmehr werde ich überhaupt keine Rezension schreiben. Denn schon nach den ersten Seiten (aber eigentlich sogar schon vor den ersten Seiten) ist mir klar geworden: Ich finde eine klassische Rezension, zu der immer auch das Auseinandernehmen und Bewerten gehört (egal in welcher Richtung), in diesem Fall einfach unangemessen. Camus schreibe bisweilen auf eine „geradezu Bittsteller-hafte Weise“ und verwende dabei das Wort ,Liebe‘ „in geradezu inflationärer Häufung“ (Peter Hennig im Deutschlandfunk). Maria Casarès strahle in ihren Briefen „eine kämpferisch heitere Weltbejahung aus“, während Camus sich gern „in grimmige Absolutheitsansprüche an diese neue Liebschaft“ verbeiße (Josef Hanimann in der Süddeutschen Zeitung). Maria Casarès bespiele „das vorrätige Pathos-Repertoire romantischer Leidenschaft absolut perfekt, inbrünstig, humorvoll, selbstbewusst, verspielt und sehnsüchtig“. Camus probiere auf der Suche nach einer Sprache der Liebe für ihn ungewöhnliche Töne aus – heraus komme (von mir kurz zusammengefasst) eine „von sich selbst berauschte Liebesrhetorik“ und „erhabener Balzgesang“ des untreuen Ehemannes an seine „Hauptmäträsse“ (Iris Radisch in Die Zeit). Ich will nicht verschweigen, dass die geschätzten Feuilletonisten sich allesamt auch beeindruckt und bewegt äußern („Über das Ende dieser großen Liebe kann man nur weinen“, Radisch; „Ihre Aufrichtigkeit ist fabelhaft“, Hanimann; ein „mitreißendes Dokument einer der großen Liebesgeschichten des 20. Jahrhunderts“, ein „hymnisches, ja, überreiches Traum- und Liebesbuch“, Hennig).

Aber ich frage mich mit jeder Seite, die ich lese, mehr: Was denn, bitteschön, gibt uns das Recht, hier überhaupt irgendetwas zu bewerten, zu beurteilen? Diese Briefe sind nie für andere Augen bestimmt gewesen als die des geliebten Adressaten. Sie sind höchst intime Bekenntnisse, mit denen sich die Schreibenden schonungslos dem anderen offenbaren, in denen sie sich ungeschützt zeigen, verletzbar und buchstäblich nackt. Dass wir jetzt so viele Jahre später daran teilnehmen dürfen ist schlichtweg ein Geschenk. Sie jetzt unter die Lupe eigener moralischer oder ästhetischer Maßstäbe zu legen erscheint mir…ich weiß kein anderes Wort als dieses altmodische: unanständig.

Wie beeindruckend ist dagegen die Großherzigkeit von Catherine Camus, der wir die Veröffentlichung der Briefe verdanken, und die ihr Vorwort beschließt mit den Worten:
Danke ihnen beiden. Ihre Briefe machen die Erde größer, den Raum leuchtender, die Luft leichter, weil sie gelebt haben.“

Ihrem Dank schließe ich mich gerne an. Und füge hinzu: Danke, Catherine Camus.

***

P.S. Eine Rezension wird es also von mir nicht geben. Gut möglich aber, dass ich den ein oder anderen Gedanken bei der Lektüre gerne mit meinen Blogleserinnen und -lesern teilen möchte. Wir werden sehen.

***

Albert Camus – Maria Casarès. Schreib ohne Furcht und viel. Eine Liebesgeschichte in Briefen 1944-1959. Übersetzt von Claudia Steinitz, Andrea Spingler und Tobias Scheffel. Rowohlt-Verlag, Hamburg 2021, 1568 Seiten, 50 Euro. Infos und Leseprobe hier.

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Düsseldorfer Ringvorlesung (9): Hans Schelkshorn über Albert Camus und die Suche nach neuen Grenzen in entgrenzter Zeit

Die Düsseldorfer Camus-Ringvorlesung geht langsam in die Zielgerade: Mit dem Vortrag von Prof. Dr. Dr. Hans Schelkshorn am kommenden Montag, 28. Juni 2021, steht der drittletzte Termin an. Wobei mir soeben auffällt, dass das Bild der „Zielgeraden“ bei einem Ring natürlich total schief ist. Das Bild des „Rings“ könnte dagegen für die Beschäftigung mit Albert Camus passender nicht sein. Nicht nur wegen der Kreisbewegung des ewigen Steinewälzers Sisyphos, sondern auch, weil man mit dem, was uns Camus zum Nachdenken hinterlassen hat, gar nicht ins „Ziel“, mithin zu einem Ende kommen kann. Man kann es aber schrittweise, Runde um Runde vertiefen, während man dabei immer wieder den selben großen Themen begegnet und sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Und dazu bietet ganz zweifellos auch der kommende Vortrag wieder einen schönen Anlass. Der Titel lautet:

„Eine Philosophie der Grenzen. Konturen der Lebensphilosophie von
Albert Camus“

Dazu schreibt der Referent:

Albert Camus‘ Philosophie steht in der Tradition des nachidealistischen Denkens nach Kant und Hegel, insbesondere der Existenz- und Lebensphilosophie, deren Grenzen fließend sind. Zugleich hält jedoch Camus gegenüber irrationalistischen Tendenzen der Lebensphilosophie am sokratischen Logos und damit an der Wahrheitsorientierung des Denkens fest. Auf dieser Grundlage bearbeitet Camus die typisch neuzeitliche Idee einer Selbstkreation in einer entgrenzten Welt, die in der Renaissance entwickelt worden ist und vor allem durch Nietzsche bis heute zum schillernden Vermächtnis für zahlreiche philosophische Strömungen geworden ist. In den philosophischen Essays über das Absurde und die Revolte entwickelt Camus komplexe Reflexionen über Entgrenzungen und die Suche nach neuen Grenzen, die jeweils auf die moralisch-politischen Herausforderungen seiner Zeit reagieren.

Zur Person:
Prof. Dr. Dr. Hans Schelkshorn ist Vorstand des Instituts für interkulturelle Religionsphilosophie der Universität Wien. Studium der Katholischen Theologie und Philosophie in Wien und Tübingen, 1989 Dr. theol; 1994 Dr. phil.; 2007 Habilitation im Fach Philosophie. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Religionsphilosophie, Theorien der
Moderne, praktische Philosophie und interkulturelle Philosophie mit Schwerpunkt lateinamerikanische Philosophie. Er ist Mitbegründer von „Polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren“ und derzeit Präsident der Wiener Gesellschaft für interkulturelle Philosophie.

Publikationen (Monographien):
Ethik der Befreiung. Einführung in die Philosophie Enrique Dussels (1992)
Diskurs und Befreiung. Studien zur philosophischen Ethik von Karl-Otto Apel und Enrique Dussel (1997)
Entgrenzungen. Ein europäischer Beitrag zum philosophischen Diskurs der Moderne (2009; 2. Aufl. 2016)
Publikationen (zu Albert Camus):
Gott und das Absurde: Zur Gottesfrage bei Jean-Paul Sartre und Albert
Camus
, in: Rudolf Langthaler, Wolfgang Treitler (Hrsg.): Die Gottesfrage in der europäischen Philosophie und Literatur des 20. Jahrhunderts, Wien-Köln-Weimar 2007, S. 155-185.
Albert Camus‘ Appell an die Christen, in: Hans Schelkshorn, Friedrich Wolfram, Rudolf Langthaler (Hg.), Religion in der globalen Moderne. Philosophische Erkundungen, Wien: Vienna University Press 2014, S.193-215.
Revolte und Dialog. Albert Camus und die Diskursethik, in: Rudolf
Langthaler/Michael Hofer (Hg.), Existenzphilosophie. Anspruch und Kritik einer Denkform (Wiener Jahrbuch für Philosophie XLV), Wien 2014, S. 99-120.

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Die Ringvorlesung läuft bis zum 12. Juli 2021 und wird über das Internet gestreamt. Alle Termine im Blog hier

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Christian Polke bei der Düsseldorfer Ringvorlesung (8): Sisyphos oder die Geburt einer existentiellen Anthropologie

„Wie soll man sich denn Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen? Hat das nicht etwas Masochistisches? Oder meint er das ironisch?“ – So in etwa lauten einig der Fragen, die mir im Zusammenhang mit Albert Camus am häufigsten gestellt werden. Mit der auf Ewigkeit angelegten Mühe des Sisyphos, der seinen Stein wieder und wieder den Berg hinauf rollen muss, hat unsere Vorstellung von Glück doch so gar nichts gemein. Glück, das ist doch gerade die Erfüllung durch eine sinnvolle Tätigkeit – oder vielleicht auch das von jeder Anstrengung befreite, genießende Dolce-far-niente! Und wie kann überhaupt der Zusammenhang von Glück und Absurdität gedacht werden?

Aufschluss zu diesem für die „Philosophie des Absurden“ zentralen Themas verspricht der Vortrag von Christian Polke bei der Düsseldorfer Camus-Ringvorlesung am morgigen Montag, 21. Juni 2021, mit dem Titel

„‚Man sollte sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen
vorstellen
‚ – Zu einer anthropologischen Figur bei Albert Camus“

Hierzu schreibt er:

Vielleicht kein anderer Autor hat der antik-mythologischen Figur des Sisyphos im 20. Jahrhundert zu einer derartigen Renaissance verholfen, wie Albert Camus. Mitten im Zweiten Weltkrieg 1942 erschienen, legt der philosophierende Schriftsteller mit Verve Zeugnis über seine Sicht auf die menschliche Situation, die Conditio Humana, ab; und zwar nicht nur in den Wirren des Krieges. Neben Prometheus – und womöglich Adam – stellt der Sisyphos ein anthropologisches Figurativ dar. In der Auslegung und Deutung dieser mythischen Figur im Angesicht der Gegenwart werden wir der Geburt einer existentiellen Anthropologie gewahr, für die Camus steht. Deren Hauptbegriffe sind Freiheit, Solidarität, das Absurde und nicht zuletzt die Idee des Glücks. Zugespitzt gefragt: Gibt es Sinn und Glück für uns nur, weil unsere Lage letztlich absurd ist? Dieser These Camus‘ gilt es kritisch nachzugehen.

Zur Person:
Prof. Dr. Christian Polke, geb. 1980 in München, Studium der ev. Theologie in Berlin, Heidelberg und Tübingen; nach Promotion und Habilitation seit 2016 Professor für Ethik im Rahmen der Systematischen Theologie an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität; u.a. Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Religionsphilosophie (DGR) und des German Pragmatism Network. Forschungsschwerpunkte: Rechts- und Politische Ethik, Religionsphilosophie, Sozialtheorie. 2010 gewann er mit einer Arbeit zur weltanschaulichen Neutralität des Staates den „John F. Templeton Award for Theological Promise“ des Heidelberger Forschungszentrums Internationale und Interdisziplinäre Theologie.

Jüngste Veröffentlichungen:
Expressiver Theismus. Vom Sinn personaler Rede von Gott, Tübingen 2020
Josiah Royce. Pragmatist, Ethicist, Philosopher of Religion (Hg., gem. mit Chr. Seibert, Tübingen 2021).

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Die Ringvorlesung läuft bis zum 12. Juli 2021 und wird über das Internet gestreamt. Alle Termine im Blog hier

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Camus‘ „Die Pest“ ist in Wiesbaden zurück auf der Bühne

„Die Pest“ nach Albert Camus in einer Fassung von Sebastian Sommer am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Auf dem Bild: Matze Vogel in der Solorolle. Foto: Karl und Monika Forster

Die Inzidenzzahlen der Covid-Infektionen sinken stetig, das Leben kehrt zurück, und auch die Kultur ist wieder da. Am Hessischen Staatstheater Wiesbaden (Kleines Haus) kehrt damit Camus‘ Epidemie-Roman Die Pest in einer Bearbeitung von Sebastian Sommer zurück auf die Bühne. Aber will man dieses ganze Seuchenthema und damit auch Camus‘ Roman, der während der Pandemie wieder zum Bestseller geworden war, nicht endlich hinter sich lassen? Der Wunsch wäre verständlich – aber umso mehr lohnt es sich, noch einmal ganz genau hinzuhören auf das, was Camus uns da über uns selbst vorführt. Mir scheint es, als würde gerade eine so wenig naturalistische Inszenierung wie in Wiesbaden dazu eine gute Gelegenheit sein (Inszenierung Sebastian Sommer, Bühne Fabian Wendling, Kostüme Wicke Naujoks ). Einen interessanten Einblick bietet der Trailer auf der Theaterwebseite:

https://www.staatstheater-wiesbaden.de/programm/spielplan/die-pest/7587/

Termine:
19./25. Juni, 8., 13., 14. Juli, jeweils 19.30 Uhr. Zu den Tickets hier.

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Albert Camus geht in Brasilien über einen Strand – eine Notiz zum „Welttag des Tagebuchs“

Albert Camus war kein Tagebuchschreiber im klassischen Sinne. Seine Carnets sind eine Mischung aus Notizen zu allem, woran er arbeitete, was er las, worüber er nachdachte; passagenweise ganze Textentwürfe, die sich manchmal fast eins zu eins in einem der späteren Werke wiederfinden, Aphorismenhaftes – und eher wenig Privates. An einer Stelle bedauert er sogar, vermehrt Dinge aufschreiben zu müssen, weil er befürchtete, sein Gedächtnis lasse nach. Den „privaten“ Camus lernen wir ganz sicher viel mehr im Briefwechsel mit seiner Geliebten Maria Casarès kennen, der vor kurzem bei Rowohlt in deutscher Übersetzung* erschienen ist, als in den Tagebüchern.

ABER: Heute, am 12. Juni, wird der Welttag des Tagebuchs gefeiert (in Erinnerung an Anne Frank, die an diesem Tag im Jahr 1942 in Amsterdam von ihrem Vater ein Notizbuch geschenkt bekam, und die uns das wohl bis heute berühmteste und berührendste Tagebuch überhaupt hinterlassen hat). Und weil wir hier im Blog gerade so viel über Camus sprechen, aber ihn wenig selbst zu Wort kommen lassen, nehme ich das zum Anlass, einfach mal einen Tagebuchband von Camus aufzuschlagen. Zwischen den vielen Arbeitsnotizen gibt es immer wieder Stellen, in denen Camus plötzlich ganz lebendig wird, nah und greifbar.

Ich habe immer das Meer an den Stränden geliebt. Und dann hat der Kramladen an den menschenleeren Stränden meiner Jugend zu blühen begonnen. Jetzt liebe ich nur noch die Mitte der Meere, dort, wo das Vorhandensein von Ufern unwahrscheinlich erscheint. Aber eines Tages, an den Stränden Brasiliens, habe ich von neuem erkannt, dass es für mich keine größere Freude gibt, als über einen unberührten Sand zu gehen, auf der Suche nach einem tönenden, vom Zischen der Wogen erfüllten Licht.“ **

Ich wünsche allen Blogleserinnen und Camus-Freunden noch ein schönes Wochenende! Gibt es unter euch eigentlich Tagebuchschreiberinnen oder Tagebuchschreiber?

***

**Albert Camus, Tagebücher 1951-1959. Deutsche Übersetzung von Guido G. Meister. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 65f. Eintrag ca. 1952.
* Albert Camus – Maria Casarès. Schreib ohne Furcht und viel. Eine Liebesgeschichte in Briefen 1944-1959,
übersetzt von Claudia Steinitz, Andrea Spingler, Tobias Scheffel. Rowohlt Verlag, Hamburg 2021.

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Düsseldorfer Ringvorlesung (7): Svantje Guinebert erklärt, warum die Poesie bei Camus revolutionär ist

Eine ganze Reihe interessanter Aspekte hat die Camus-Ringvorlesung an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität schon beleuchtet – und immer wieder geht es um die Frage, die als Titel über der gesamten Reihe steht: „Albert Camus – ein Philosoph wider Willen?“ War er also ein Philosoph, wollte er überhaupt einer sein? Unstrittig ist, dass Camus seine philosophischen Gedanken in verschiedenen „Disziplinen“ ausgedrückt hat, nämlich im philosophischen Essay, im Roman und im Drama. Am kommenden Montag, 14. Juni 2021, bietet sich die schöne Gelegenheit, mehr über die Verflechtung des zentralen Themas „Solidarität und Revolte“ im Essay und im Drama bzw. zwei Dramen bei Camus zu erfahren. Unter dem Titel

‚Poesie ist revolutionär‘ – Albert Camus‘ Reflexion von Solidarität und Revolte im philosphischen Essay und im Drama

nimmt Dr. Svantje Guinebert nämlich genau dies in den Blick. Dazu schreibt sie:

„Poesie ist revolutionär“ – wenn sie eine Revolte versinnbildlicht, die auf der
Solidarität der Menschen gründet. In diesem Vortrag sollen einige Überlegungen zu Camus‘ Reflexionen über Solidarität und Revolte vorgestellt werden, um darüber der Frage nachzugehen, inwiefern es ihm gelingt, durch verschiedene Formen der Verschriftlichung Gedanken aus unterschiedlichen Perspektiven zu begreifen und zu vermitteln. Mit Blick auf Der Mensch in der Revolte und die Dramen Die Gerechten sowie Die Besessenen werden einige Hinweise darauf ausgearbeitet, wie mit Camus Revolte und Solidarität zu verstehen sind. Dabei wird untersucht, inwiefern diese Aspekte philosophisch, literarisch und dramaturgisch aufbereitet sind. Was kann das Drama, was das philosophische Essay nicht kann? An welchen Stellen wird dagegen eine philosophische Arbeitsweise deutlich – vielleicht sogar in gewissem Sinne für Camus notwendig? Eine Zusammenführung dieser Überlegungen wird schließlich erkennen lassen, dass Camus – gerade indem er sich einer eindeutigen Zuordnung versperrt – eine Perspektive einnimmt, die ihm besondere Möglichkeiten eröffnet: Zwischen allen Stühlen ist es wahrlich nicht immer gemütlich, aber erst als eine liminale Gestalt, d.h. als jemand, der auf der Grenze zwischen verschiedenen Disziplinzuordnungen und Welten steht, kann Camus das ausdrücken, worum es ihm geht.

Zur Person:
Dr. Svantje Guinebert war von 2012 bis 2021 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Bremen tätig, wo sie 2017 mit einer Dissertation über Die Selbstzuschreibung letztinstanzlicher Autorität promoviert wurde. Diese Arbeit erschien 2018 bei mentis unter dem Titel Hörigkeit als Selbstboykott. Eine philosophische Studie zu Autorität, Selbstkonstitution und Autonomie. Seit April 2021 ist sie Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Philosophie der Universität Leipzig. Zudem war sie Projektleiterin des vielbeachteten Projekts Die Universität Bremen liest Albert Camus: Die Pest, das im Rahmen der Initiative „Eine Uni – Ein Buch“ organisiert wurde (mehr dazu hier im Blog: Solidarität neu befragen – eine ganze Uni liest „Die Pest“). Ihre Forschungsinteressen liegen in der Existenzphilosophie, der Moralbegründung, der Philosophie des Humors und der Philosophiedidaktik.

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Die Ringvorlesung läuft bis zum 12. Juli 2021 und wird über das Internet gestreamt. Alle Termine im Blog hier

Die Vorträge mit anschließendem Zoom-Gespräch finden jeweils von 16.30 bis 18 Uhr statt. Alle Interessierten, die sich nicht über das Studierendenportal der Uni Düsseldorf anmelden können, wenden sich bitte per Mail an Oliver.Victor@uni-duesseldorf.de, um die Zugangsdaten zu erhalten. Bitte beachten Sie, das Gasthörer herzlich willkommen sind, bei der Diskussion jedoch die Studierenden Vorrang haben.

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