Über Wahrheit und Lüge in der Politik – Albert Camus und Hannah Arendt

Porträt von Hannah Arendt von Holger Vanicek (©).

Die gedankliche Nähe zwischen Albert Camus und Hannah Arendt ist am heutigen Dienstag, 15. September, Thema beim offenen Gesprächskreis der Albert-Camus-Gesellschaft in Aachen. Ich weiß, das ist reichlich spät für eine Ankündigung hier im Blog, aber ich war gerade mehr auf den Spuren von Hölderlin unterwegs, im Jahr seines 250. Geburtstages, was ja vielleicht auch noch einen Beitrag hergeben wird, wer weiß. Nun also kurz vor knapp Hannah Arendt, was immerhin ein Anstoß sein könnte, sich mit dieser bedeutenden Denkerin mal wieder oder erstmals näher zu beschäftigen, auch wenn man heute Abend keine Zeit hat, nach Aachen zu fahren.

Für Hannah Arendt jedenfalls war Camus „zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Zweifel der Beste in Frankreich. Er überragt die anderen Intellektuellen um Kopf und Schultern“, schrieb sie auf Frankreichreise 1952 an ihren Mann, nachdem sie tags zuvor Camus getroffen hatte. Sartre dagegen wolle sie nicht treffen, das habe keinen Sinn, schrieb sie: Er sei vollständig in seine eigenen Theorien verstrickt und lebte in einer hegelianisch organisierten eigenen Welt (1). Das Treffen war auf Initiative von Hannah Arendt zustande gekommen, sie hatte am 21. April 1952 an Camus geschrieben, dass sie Der Mensch in der Revolte gelesen habe und wie sehr es ihr gefiele: „Je suis à Paris pour quelques semaines et j’amerais beaucoup vous voir si cela peut s’arranger, sans vous incommoder. J’ai lu L’Homme révolté que j’aime beaucoup. À vrai dire, c’est la seule raison de cette note. Veuillez croire à mes sentiments les meilleurs“ (2).

Hannah Arendt hatte 1951 Die Ursprünge des Totalitarismus veröffentlicht, ihre Werke wurden aber erst ab 1972 ins Französische übersetzt.

Brigitte Schneider, Mitglied der Albert Camus-Gesellschaft, hat sich eingehender mit Hannah Arendt beschäftigt und den heutigen Gesprächskreis unter dem Titel „Wahrheit und Lüge in der Politik nach Hannah Arendt“ vorbereitet.

Hat die Wahrheit in der Politik an Bedeutung verloren? Ersetzen Meinungen mittlerweile Wahrheiten (Fake News)? Ist es nicht Aufgabe der Politik oder der Politiker wertvolle, positive Entscheidungen zum Wohle der Menschen zu treffen, für Recht und Ordnung zu sorgen, die menschliche Existenz auch für die Zukunft sicher zu planen? Sind diese Aufgaben verloren gegangen? Welche positiven wie negativen Entwicklungen gibt es hinsichtlich Meinungsvielfalt und Medienkultur? Stellt eine irrationale Meinungsvielfalt die Gesellschaft vor eine Zerreißprobe? Wie können wir uns schützen?
Dies sind nur einige Fragen, die das Thema von Hannah Arendt und Albert Camus aus in die Gegenwart holen und zeigen, wie aktuell die Problematik auch und gerade heute ist.


Termin: Dienstag, 15. September 2020, 19.30 Uhr im LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen. Eintritt frei, offen für alle Interessierten. Beim Ankommen muss eine Schutzmaske getragen werden. Angemessen warme Kleidung wird empfohlen, da der Raum zwischenzeitlich gelüftet wird – aber der Hinweis ist am heutigen späten Hochsommertag wohl überflüssig…

(1) Gefunden auf dem Facebook-Account „Albert Camus – Pensée du jour“ wie folgt, nicht an Originalquelle überprüft:
„Sartre et Cie, je ne les verrai pas: cela n’aurait aucun sens. Ils sont entièrement drapés dans leurs théories et vivent dans un monde organisé de manière hégélienne. […] Hier, j’ai vu Camus: c’est sans aucun doute le meilleur en France à l’heure actuelle. Il dépasse les autres intellectuels de la tête et des épaules.“ Hannah Arendt en voyage en France, 1952.
Lettre de Hannah Arendt à son mari lors de son voyage en France, 1952
(2) Albert Camus, Oeuvre complètes III, 1949-1956, IV, 1957-1959,  édition publiée sous la direction de Raymond Gay-Crosier, Gallimard, Paris 2008, Bibliothèque de la Pléiade, p. 1226.

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1 Antwort zu Über Wahrheit und Lüge in der Politik – Albert Camus und Hannah Arendt

  1. PIERRE SCHOTT sagt:

    Wer könnte sich heutzutage noch als Arendt oder Camus bezeichnen? Wer?! Die Philosophen haben sich auf den Wegen verloren, und die Politik versteckt sich hinter den multinationalen Konzernen !
    Petrus von Manosque

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