Unter den vielen Paarungen von „Camus und …xy“, die bei Camusforschern ein beliebtes, weil quasi unterschöpfliches Untersuchungsfeld darstellen, gehört eine zweifellos zu den wichtigsten und aussagekräftigsten – nämlich „Camus und Dostojewski“. Eben dieses Themas hat sich der Philosoph, Literaturwissenschaftler und Historiker Bernd Oei angenommen und stellt es am kommenden Freitag, 14. Februar, bei der Camus-Gesellschaft in Aachen vor. In der Ankündigung heißt es:
„Fjodor Dostojewski war einer der einflussreichsten Autoren für Albert Camus. Dessen Roman Böse Geister (Die Dämonen) hat Camus zu einem seiner wichtigsten Dramen bewegt, das 1959, wenige Tage vor seinem Tod, unter dem Titel Die Besessenen (Les Possédées) uraufgeführt wurde. «Alle Helden Dostojewskis fragen nach dem Sinn des Lebens. (…) in den Romanen Dostojewskis wird die Frage derart eindringlich gestellt, dass sie nur zu extremen Lösungen führen kann», schreibt Camus im Mythos von Sisyphos. In seinem Vortrag spürt Bernd Oei der literarischen Beziehung zwischen diesen zwei großen Schriftstellern und Denkern nach. Seine Betrachtungen konzentrieren sich insbesondere auf Dostojewskis Figur des Kirilow und die Frage nach dem logischen Selbstmord, aus der er im Weiteren die Überlegungen Camus’ über die Revolte im Vergleich zu Dostojewskis Die Brüder Karamasow ableitet.“
Ganz ohne Zweifel ein spannendes Thema, über das der Autor sicherlich kenntnisreich zu berichten wissen wird. Ich will auch gar nicht kleinlich sein, merke aber dennoch an, dass die Klassifizierung von Die Besessenen als „eines der wichtigsten Dramen von Camus“ ein wenig schief ist. Es handelt sich vielmehr um eine seiner wichtigsten und (wie Camus-Biograf Olivier Todd schreibt) anspruchsvollsten Bühnenbearbeitungen – eben eine Adaption von Dostojewskijs Roman Die Dämonen. Todd zitiert Camus’ Einführung im Programmheft zur Uraufführung:
„«Die Dämonen gehören zu den vier oder fünf Werken, die ich über alle anderen stelle. In mehr als einer Hinsicht kann ich sagen, dass sie mich genährt und geformt haben. Seit fast zwanzig Jahren (…) sehe ich seine Gestalten auf der Bühne.» Dostojewskijs Geschöpfe seien «weder seltsam noch absurd. Sie gleichen uns, wir haben das gleiche Herz. Und Die Dämonen sind prophetisch nicht nur, weil sie unseren Nihilismus ankündigen, sondern weil sie zerrissene und tote Seelen zeigen»“. *
Ich wünsche allen Camus-Freunden und Dostojewski-Freundinnen (und umgekehrt) einen inspirierenden Abend in Aachen!
- Termin:
Auflehnung im Absurden. Camus und Dostojewski. Vortrag von Bernd Oei, 14. Februar 2020, 19.30A Uhr, im LOGOI, Jakobstraße 25a, Aachen. - Der Autor:
Bernd Oei (*1966), ist Philosoph, Literaturwissenschaftler und Historiker. Er promoviert zu „Nietzsche und Hölderlin im Vergleich“. 2010 erschien sein Buch „Camus – Sisyphos zwischen dem Absurden und der Revolte“, das in diesen Tagen in überarbeiteter Form neu erscheint.
* Olivier Todd, Albert Camus. Ein Leben, Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1999, S. 783
Camus Albert; Die Besessenen – Schauspiel, Rowohlt Verlag, Hamburg 1960
Das Drehbuch einer Theater-Adaption. Sehr konzentriert. Was bei Dostojewski zu langatmig ist, ist hier etwas zu heftig geschrumpft und vereinfacht. Auch dem bequemen Leser ist es nicht als Extrakt zu empfehlen.
Ich war sehr enttäuscht von dieser Adaption. Mir fiel es schwer, auch nur ansatzweise etwas von der reflektiven Tiefe Camus dort zu finden.
Lieber Klaus, vielen Dank für Ihren Kommentar zu „Die Besessenen“. Bezieht sich Ihre Enttäuschung auf die Lektüre, oder haben Sie das Stück unlängst auf einer Bühne gesehen? Das würde mich interessieren. Viele Grüße, Anne-Kathrin Reif