Kafka, Camus und die Nachhaltigkeit

Zwei interessante Vorträge sind anzuzeigen – und während wir wohl alle dem „Ende“ von Corona entgegenfiebern, erweist sich hier durch die Pandemie verbreitete Variante der Online-Vorlesung wieder mal als Vorteil, ermöglicht sie es doch sehr viel mehr Interessierten, daran teilzunehmen.

Ist Albert Camus ein „Philosophischer Vordenker der Nachhaltigkeit“? In diese Reihe stellt ihn Andreas Michel, Dipl.-Theologe, Dipl.-Pädagoge und Dr. der Philosophie (und unter dem Namen Andino auch bekannter Zauberkünstler). Michel hat einst zu diesem Thema promoviert und bietet nun unter diesem Titel eine Online-Vorlesungsreihe an der VHS-Neuwied an.

„Was wir heute Nachhaltigkeit nennen, ist nur ein anderer Name für das, was in den 80er Jahren «Ökologisches Denken» genannt wurde und zwar im vollumfänglichen Sinne der Einbeziehung von Klima, Sozialem, Naturschutz und der Gerechtigkeit. Nur der Weltfrieden spielt bei der Nachhaltigkeit nach dem Ende des Kalten Kriegs keine so entscheidende Rolle mehr, gehört aber nach wie vor dazu“, heißt es in der Ankündigung. Leider haben wir die einführende Auftaktveranstaltung am 7. Februar schon verpasst. Es heißt aber ausdrücklich: „Die fünf Teile der Reihe stehen zwar inhaltlich in Zusammenhang, sind aber alle in sich geschlossen und können somit auch einzeln gebucht werden.“ Es folgen nun vier Abende, bei denen jeweils ein Denker im Mittelpunkt steht (jeweils 18.30 bis 20 Uhr):

Teil 2 am 7. März 2022: Albert Schweitzer
Teil 3 am 4. April: Max Horkheimer
Teil 4 am 2. Mai: Albert Camus
Teil 5 am 30. Mai: Bertrand Russel.

Die Reihe findet als Videokonferenz über Zoom statt. Anmeldung bei der VHS-Neuwied (Teilnahme je Abend 5 Euro).

Andreas Michels Schrift Denken in der Krise. „Ökologisches Denken“ bei Albert Schweitzer, Max Horkheimer, Albert Camus und Bertrand Russell : Aspekte einer immanenten Didaktik ist 1991 im Verlag Krämer erschienen.

Franz Kafka – Die Hölle und die Anderen

Nicht direkt zu Camus aber gewissermaßen in enger Verwandtschaft zu ihm steht das Thema des philosophischen Online-Salons im Aachener LOGOI mit Dieter Hans und Jürgen Kippenhan am kommenden Sonntag, 20. Februar, um 12 Uhr im Live-Stream (und im Anschluss zum Nachhören): Unter dem Titel Die Hölle und die Anderen geht es um Franz Kafkas Roman Der Prozess.

Dazu schreib Jürgen Kippenhan:
Nichts ist bedrohlicher, als wenn sich die Verlässlichkeit der Welt um uns herum auflöst. Und niemand macht die Bedrückung, die das auslöst, spürbarer als Franz Kafka. Nun, auf hintergründige Weise machen uns die Anderen wohl immer den Prozess. Jean-Paul Sartre hatte dies mit der Metapher „der Blick des Anderen“ umschrieben. Aber Josef K. nimmt uns zudem mit hinein in einen Erlebnisraum, von dem wir wollten, er wäre schlicht surreal und wir könnten bald in die gewohnte Welt hinein aufwachen. Hier nun und wie so oft: Je zielgerichteter wir uns der Verstrickung zu entwinden trachten, je mehr zieht sie uns in sich hinein. In unserem Fall reicht fast schon der erste Satz: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne, dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines morgens verhaftet.“

Kafkas Roman gehört wohl zu den meist interpretierten der Literaturgeschichte. Des öfteren ist er auch schon in Zusammenhang mit Albert Camus‘ Philosophie des Absurden betrachtet worden, der selbst Kafka ein Kapitel in seinem Mythos des Sisyphos widmet.

«Dieser ständige Wechsel zwischen Natürlichem und Außergewöhnlichen, zwischen Individuum und Allgemeinem, zwischen Tragik und Alltäglichem, zwischen Absurdem und Logischem geht durch sein ganzes Werk und gibt ihm seine Resonanz und seine Bedeutung. Diese Paradoxa müssen aufgezählt, diese Widersprüche müssen herausgestellt werden, um das absurde Werk zu verstehen», schrieb er. (1)

Man darf gespannt sein, ob dies auch im Gespräch von Jürgen Kippenhan und Dieter Hans eine Rolle spielen wird, und welche eigenen Gedanken die beiden zu den bekannten Interpretationen beitragen werden.

Zu den Personen (nach Selbstdarstellung):
Jürgen Kippenhan fürchtet schon lange, dass wir in einer kafkaesken Welt leben. Er möchte dies aber verschweigen, um niemanden auf dumme Ideen zu bringen. Als Deckmantel dient ihm die lebenszugewandte Ausrichtung von LOGOI.

Dieter Hans unterrichtete neben seiner literarischen Arbeit Englisch und Geschichte an Gymnasien. Er veröffentlicht überwiegend Reise-Essays und Gedichte.

Zum Live-Stream am 20. Februar bzw. zur Aufzeichnung geht es hier: www.logoi.de

(1) Der Mythos des Sisyphos, Rowohlt 2010, S.167

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4 Antworten zu Kafka, Camus und die Nachhaltigkeit

  1. Ulrike sagt:

    Die Diskussion über die Suche nach Sinn in Kafkas Werken und die Betonung des Absurden in Camus‘ Philosophie bringt die Komplexität der Nachhaltigkeitsfrage auf den Punkt. Es ist erfrischend zu sehen, wie Literatur uns dazu anregen kann, über unsere Rolle in der Welt und unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt nachzudenken.
    Liebe Grüße,
    Ulrike

  2. Klaus Stoevesandt sagt:

    Liebe Frau Reif!
    Das ist ja eine sehr bemerkenswerte Einladung, die Andreas Michel alias Andino hier anbietet. Sein Buch „Denken in der Krise“ (identisch mit den vier Veranstaltungen) war die erste Station auf meinem Weg zu Albert Camus und Albert Schweitzer — bis nach Le Chambon.
    Mit vielen guten Erinnerungen
    Ihr Klaus Stoevesandt

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Lieber Herr Stoevesandt, ja, als ich diese Ankündigung sah, dachte ich natürlich auch sofort an Ihre Camus-Schweitzer-Forschung! Herzlicher Gruß, Anne-Kathrin Reif

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