Seit zwei Wochen hat mich jetzt die Arbeitswelt wieder. Erst zwei Wochen? Wie anders das Leben plötzlich wieder ist, wenn beinahe täglich 80 Prozent der eigenen Zeit schon festgelegt sind und die restliche Zeit überwiegend der Regeneration der Arbeitskraft dient. Aber da ist zum Glück dieser freie Montag, der mir ganz allein gehört. Er ist immer noch für Camus reserviert, denn das Buch ist in der Redaktions-Auszeit nicht ganz fertig geworden. Trotzdem ringe ich heute mit mir, die Arbeit an dem einen Schreibtisch (Großraumbüro) mit der Arbeit am anderen Schreibtisch (zuhause) zu vertauschen. Immer wieder schweift der Blick nach draußen, wo sich über den Hausdächern ein ungewohntes helles Blau ausbreitet. Ein Lichtfleck tanzt über die Schreibtischplatte. Licht! Nach so vielen trüben Tagen echtes, helles, strahlendes Licht! Ein Licht, dass einem in Erinnerung ruft, dass man lebt. Auch das ein Gedanke von Camus, aber die Stelle habe ich gerade nicht parat. Es reicht nicht, es durchs Fenster hindurch zu betrachten, ich will mich mitten hineinstellen in dieses Licht, und ich muss mich beeilen, denn hier in diesem oft so trüben (Wupper-)Tal sind solche strahlenden Momente immer kostbar. Und Camus hilft mir dabei, kein allzu schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich mal wieder die Neigung der (selbst auferlegten) Pflicht vorziehe, denn „man braucht sich nicht schämen, wenn man das Glück vorzieht“. (1)
(1) sagt Dr. Bernard Rieux zu dem Journalisten Raymond Rambert in Die Pest (Deutsch von Uli Aumüller. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1997, S. 236).