Von falschen Komplimenten und guter Gesundheit

Irgendwie habe ich den Eindruck, als müsse ich heute mal auf die Gefühlsbremse treten. All diese schönen Zitate von Camus, sie lösen so viel Emotionen aus! Keine leeren Kalendersprüche, sondern Worte, die wirklich bewegen. Nicht nur mich, wie mir die Zuschriften zeigen, die mich erreichen. Was mich wirklich sehr, sehr freut. Aber dennoch – Camus selbst würde sich dabei vermutlich nicht so wohl fühlen. Schon zu Lebzeiten war seine Sekretärin bei Gallimard quasi hauptberuflich damit beschäftigt, Verehrer(innen) von ihm fern zu halten. Übertriebene Bewunderung war ihm wohl eher lästig, und nach außen gab er sich vielleicht eher nüchtern als gefühlsbetont. Davon zeugt jedenfalls die ein oder andere seiner Äußerungen. In einem Interview merkt  Jean-Claude Brisville an: „Oft wird ein Künstler aus einem Missverständnis heraus bewundert“ und fragt Camus: „Welches Kompliment ärgert Sie am meisten?“ Seine Antwort: „Ehrlichkeit, Gewissen, Menschlichkeit, also, wissen Sie, dieses moderne Geschwätz.“ (1). Und an anderer Stelle entgegnet er auf die Frage, was seine Botschaft sei, trocken: „Ich habe mich nie für Christus gehalten. Mir geht es gut, vielen Dank“ (2).

Und schon wieder gefällt er mir… Der Bewunderung ist wohl nur schwer zu entkommen.

(1) Ein paar Fragen in Prousts Manier. Ein spätes Interview mit Jean-Claude Brisville (1959), in Du. Die Zeitschrift der Kultur. Heft Nr. 6/1992: Wiederbegegnung mit Albert Camus. Zürich, Juni 1992, S. 20. (2)  „Je ne me suis jamais pris pour le Christ. Ma santé est bonne, je vous remercie“ (Interview in Servir am 20. Dezember 1945, In: Albert Camus, Oeuvre complètes II, 1944-1948, édition publiée sous la direction de Jacqueline Lévi-Valensi, Gallimard, Bibliothèque de la Pléiade, Paris 2006, S. 661).
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