Im Anschluss an einen der vergangenen Vorträge bei der Camus-Ringvorlesung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fragte eine Studentin (vermutlich der Anglistik) nach einer möglichen Verbindung zwischen Albert Camus und Dylan Thomas. Ob man wisse, ob Camus sein Werk gekannt habe? Gäbe es da nicht Gemeinsamkeiten zum Beispiel in der Haltung der Revolte? – Die Frage blieb unbeantwortet, aber ich musste gerade an sie denken, weil heute allenthalben ein anderer Dylan gewürdigt wird, der aber wiederum, wie es heißt, seinen Namen just aus Verehrung für Dylan Thomas gewählt hat: Bob Dylan, geboren am 24. Mai 1941 als Robert Allen Zimmermann in Minnesota/USA und einer der besten Songwriter aller Zeiten, feiert heute seinen 80. Geburtstag.
Ich weiß nicht, ob die fragende Studentin hier mitliest oder vielleicht noch zufällig bei Recherchen zu Dylan Thomas auf den Blog stößt, aber wäre ihre Frage an mich gegangen, ich würde sie so beantworten:
Dass Camus das Werk des um ein Jahr jüngeren, 1914 im walisischen Swansea geborenen Dichters kannte, ist zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Thomas‘ erste Gedichtsammlung 18 Poems erschien bereits 1934 in London, und er war bis zu seinem frühen Tod als Schriftsteller sehr erfolgreich. Seine größte Ausstrahlung zu Lebzeiten dürfte allerdings weniger im französischsprachigen als im englischsprachigen Raum gelegen haben – auch aufgrund von vier großen Lesereisen, die ihn in den USA sehr populär machten. Die Kreise von Dylan Thomas und Albert Camus dürften sich wohl kaum überschnitten haben; Thomas verbrachte sein Leben in dem südwalisischen Fischerdorf Laugharne, wo er auch beigesetzt wurde; er starb 1953 in New York an einer aufgrund seiner anhaltenden Alkoholexzesse nie auskurierten Lungenentzündung. Ob Camus diese betrübliche Nachricht nun zur Kenntnis genommen hat oder nicht, ob er das heute zweifellos berühmteste Gedicht von Dylan Thomas nun kannte oder nicht – eben jenes Gedicht macht die beiden in meinen Augen zu verwandten Seelen – und Bob Dylan können wir getrost noch als dritten in den Bund mit aufnehmen. Wer wie Dylan Thomas dichtet
Do not go gentle into that good night.
Rage, rage against the dying of the light
der ruft auf zur Revolte gegen den Tod, für den ist, wie für Camus unser ganzes Reich von dieser Welt. Der feiert das Licht und das Leben wie Camus, als er schrieb „man kann sein Leben nicht verfehlen, wenn man es ins Licht stellt.“ Kannte Dylan Thomas Camus‘ Essay Der Mythos von Sisyphos? Vermutlich nicht, denn die englische Übersetzung erschien erst nach seinem Tod 1955. Aber Camus‘ Interpretation des Sisyphos als Rebell gegen die Götter, der den Tod überlistet und in Ketten legen lässt, der aus dem Hades entwischt und noch viele Jahre lebt – am leuchtenden Meer, auf der lächelnden Erde – die hätte ihm ganz ohne Zweifel gefallen.
„Nur das zählt: Leib und Seele. Der Leib hat seine eigene Seele. Es ist Körper und Pulsschlag, was Camus und Dylan verbindet. Es ist das Existentielle, was sie vor allem Establishment und dessen Negationen schützt (…)“ – das sagt der Kölner Philosoph Theo Roos und hätte dabei wohl auch Camus und Dylan Thomas meinen können, sprach allerdings über Camus und Bob Dylan. Das Interview mit ihm, das sich zu einem veritablen, überaus kenntnisreichen Referat über die Verbindung zwischen den beiden auswuchs, führte ich mit ihm anlässlich der Verleihung des Literaturnobelpreises an Bob Dylan 2016. Kennengelernt haben wir uns anlässlich der großen Ausstellung von Oliver Jordan zu Albert Camus 2014 im LVR-Museum Bonn. Den (mit zahlreichen weiterführenden Links zu Bob Dylan versehenen) Beitrag Albert Camus und Bob Dylan erhalten den Literaturnobelpreis möchte ich hiermit allen Albert-Camus-Bob-Dylan-Thomas-Freunden aus Anlass seines heutigen 80sten Geburtstages nochmal ans Herz legen.
Allen Dylan-Camus-Dylan verwandten Rebellen im Geiste empfehle ich die vollständige Lektüre von Do not go gentle into that good night. Den anderen, die das Licht eher auf der anderen Seite sehen, wünsche ich Frohe Pfingsten.
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Liebe Anne-Kathrin ! C’est dingue, mais hier soir je lisais „Portions from a wine-stained notebook“ du père Bukowski, où il livre ses intuitions (1966) sur qui sera encore lu, dans le futur : „Pour Dylan Thomas, ce sera directement la trappe, comme pour Bob Dylan. Je ne peux toutefois le jurer, ma seule certitude est que je ne sais rien, oh, mon Dieu, on est foutus, n’est-ce pas ? Camus, bien sûr, restera.“ Il n’était franchement pas Nostradamus, le Charlikowski… (Sic !) Petrus von Manosco
Cher Petrus, was für ein verrückter Zufall! Was würde Bukowski wohl dazu sagen, dass alle drei noch gelesen werden (und Bob Dylan sogar den Literaturnobelpreis bekommen hat)? Na, vermutlich würde er eine ganze Flasche Whisky in einem Zug leeren… Santé! Anne-Kathrin