Saisonstart an den Theatern: Caligula ist eine Frau, und Clamence tanzt. Meursault und Moussa kommen wieder.

Das Euro Theater Central in Bonn bringt Camus‘ Roman „Der Fall“ in einer Fassung für einen Schauspieler (Raphael Traub) und einen Tänzer (Olaf Reinecke) auf die Bühne. ©Foto: Lilian Szokody

Im September gehen bei den Bühnen im Land die Vorhänge wieder auf. Da wird es Zeit, sich die Theaterprogramme für die kommende Spielzeit vorzunehmen und nach Camus zu durchforsten. Das April-Hoch mit zwölf deutschsprachigen Bühnen, die Camus spielen, wird in dieser Saison wohl nicht erreicht werden. Aber immerhin habe ich doch schon einige Premieren entdeckt, ebenso wie Häuser, die „ihren“ Camus aus der abgelaufenen mit in die kommende Spielzeit nehmen. Das Neue aber zuerst.

Caligula in Berlin und in Düsseldorf

Sowohl das Schauspielhaus in Düsseldorf als auch das Berliner Ensemble bringen eine neue Inszenierung von Camus‘ Caligula heraus. Das Berliner Ensemble (BE) eröffnet am 24. September die erste Spielzeit unter der Intendanz von Oliver Reese gar mit Caligula – ein starkes Statement zur Aktualität von Camus. Schließlich hat Oliver Reese es  ausdrücklich als Auftrag an das Berliner Ensemble formuliert, „sich mit den drängenden Themen unserer Zeit zu beschäftigen und gesellschaftliche Fragen auf der Bühne zu diskutieren“. Despotismus, übersteigerter Machtwille, Willkürherrschaft und die vielfältigen Weisen, darauf zu reagieren – an aktuellen Bezügen zur Gegenwart besteht gewiss kein Mangel, und man darf gespannt sein, wie sich das in der Inszenierung von Antú Romero Nunes niederschlagen wird. Die Titelrolle hat der Regisseur mit einer Frau besetzt: Constanze Becker kehrt mit dieser Inszenierung von Frankfurt/Main nach Berlin zurück. Caligulas Geliebte Caesonia wird konsequenter Weise von einem Mann (Oliver Kraushaar) verkörpert. Termine: Premiere 21. September (ausverkauft), 29. September., 1., 2., 10., 17., 18., 25., 29. Oktober. Infos zum Vorverkauf hier. Auf die Inszenierung am Schauspielhaus Düsseldorf muss man leider noch etwas länger warten, die Premiere ist erst für März 2018 angekündigt.

Der Fall als getanzter Bühnenmonolog in Bonn

Beim kleinen Euro Theater Central in Bonn waren die Inszenierungen von Camus‘ Die Gerechten und Der Fremde über Jahre Dauerbrenner. Jetzt sind sie (vorerst) aus dem Programm verschwunden. Dafür kommt aber zum Saisonstart am 14. September eine neue Produktion heraus: In Zusammenarbeit mit der Tanzkompanie bo komplex entsteht eine Bühnenversion von Camus‘ Roman Der Fall (Inszenierung: Bärbel Stenzenberger, Musikkomposition: Helena Rüegg). Eine Tanztheaterproduktion auf so kleiner Bühne bei so großer Nähe zum Publikum ist eine spannende Sache. Ebenso die Frage, wie die Inszenierung Körper- und gesprochene Sprache bei diesem Text, der ein einziger großer Monolog ist, zusammenbringen wird. Ein Schauspieler (Raphael Traub) und ein Tänzer (Olaf Reinecke) werden gemeinsam auf der Bühne agieren. Termine: 14., 15., 16. September, 20 Uhr, 17. September, 18 Uhr, 23. und 24. Oktober, 20 Uhr. Infos zum Vorverkauf hier.

Der Fremde auf der Bühne des Societätstheaters in Dresden

Der Fremde ist zwar bekanntermaßen kein Theaterstück, dennoch hat es in jüngerer Zeit mehrfach Bühnenfassungen von Camus‘ Roman gegeben. Darunter auch das Societätstheater in Dresden, das die Inszenierung von Arne Retzlaff aus der vergangenen Saison wieder aufnimmt. Termine: 14. und 30. Oktober, 20 Uhr.

Der Fall Meursault bei den Münchner Kammerspielen

Furore gemacht hat die „Gegendarstellung“ zu Camus‘ Roman von Kamel Daoud Der Fall Meursault, in dem der von Meursault getötete namenlose Araber einen Namen, Moussa, und eine Geschichte erhält – erzählt von seinem Bruder. Auch dieser Roman hat es ja schon längst mehrfach auf die Bühne geschafft. Bei den Münchner Kammerspielen erfährt die Inszenierung von Amir Reza Koohestani eine Neuauflage. Termine: 6. und 29. Oktober, 20 Uhr. Eine Kostprobe gibt’s hier im Video:

 

Ich würde natürlich wieder mal am liebsten für sämtliche Aufführungen quer durch die Republik reisen. Leider bleibt es aus Mangel an Zeit und Gelegenheit zumeist bei den Ankündigungen. Aber wenn Sie, liebe Blog-Leserinnen und Camus-Freunde, eine Aufführung gesehen haben, dann berichten Sie doch hier im Kommentar davon. Ich bin mir sicher: Auch die anderen Leser*innen werden sich freuen! In diesem Sinne: Auf eine spannende Theatersaison 2017/18 und à bientôt!


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