Camus im Mai: „Belagerungszustand“ in Witten, „Denker der Freiheit – Albert Camus“ in Frankfurt und als Stream

Szene aus „Der Belagerungszustand“ des Wittener Ensembles 180Grad. ©Foto: Ensembles 180Grad

Das neu gegründete Wittener Theater-Ensemble 180Grad° hat sich zur Aufgabe gemacht, künstlerischen Ausdruck mit der Frage nach der Lebendigkeit in Kreativität und Alltag zu verbinden: Was braucht es, um das Feuer der eigenen Existenz neu zu entfachen?“ – So heißt es in der Selbstdarstellung des Ensembles. Mit dieser Aufgabenstellung kann es gewiss nicht verkehrt sein, sich an Albert Camus zu wenden. Und so ist eines der ersten Projekte der Truppe Der Belagerungszustand – Premiere bereits am kommenden Sonntag. Das am 27. Oktober 1948 im Théatre Marigny in Paris uraufgeführte Stück von Camus wird häufig als Dramatisierung seines eigenen Romans Die Pest angesehen, da der Plot einige Ähnlichkeiten aufweist – tatsächlich kann man es aber als durchaus eigenes Werk mit eigenen Fragen verstehen. Hier die Inhaltsangabe des Theaters:

Über der südspanischen Stadt Cadiz erscheint mitten im Sommer ein Komet am Himmel, der nichts Gutes verheisst. Wenig später bricht eine Seuche unter den Bewohnern aus, und es erscheinen zwei merkwürdige Gestalten auf dem Marktplatz, die die Macht über die Stadt an sich reißen wollen. Wie es sich herausstellt, handelt es sich bei den Beiden um alte Bekannte der Menschheit: die Pest und den Tod. Die Bevölkerung unterwirft sich dem scheinbar Unvermeidlichen und verfällt in Agonie und Apathie. Diego, ein junger Arzt, und seine Verlobte Victoria sind die letzten in Cadiz, die noch Widerstand leisten. Werden sie es schaffen, die Stadt zu befreien? In dem Theaterstück „Der Belagerungszustand“ geht der französische Existentialist Albert Camus eingehend der Frage nach, was den Menschen zur Freiheit befähigt, und was es braucht, dass sich die Vielen gegen die Herrschaft der Wenigen zur Wehr setzen. Ist es die Liebe, der Mut, die Leidenschaft oder ist es die Auseinandersetzung mit dem drohenden Tod, welche die Menschen befähigt, ihre Freiheit zu ergreifen? Camus gewinnt der Hamlet-Frage „Sein oder Nicht Sein“ eine moderne Perspektive ab. Der Held des Stückes steht vor der Entscheidung zu gehen oder zu bleiben und zu kämpfen. Und seine Entscheidung besiegelt das Schicksal aller Stadtbewohner.

Darsteller: Diego – Sven Möller, Victoria – Sylvia Guse, Pest – Stefan Schroll, Tod – Aniko Tothpal, Nada – Ciro Quattroventi, Fischer – Martin Blumenroth, Richter – Marcus Diedrich, Seine Frau – Kerstin Tessarek, Gouverneur – Moritz Hommel, Frauen aus Cadiz – Kateryna Kilovata, Kerstin Tessarek, Alkalde – Marcus Diedrich, Wachen – Sven Möller, Stefan Schroll, Herold – Moritz Hommel. Regie: Hans-Ulrich Ender.

Termin: Premiere am Sonntag, 14. Mai 2023, 19 Uhr, Saalbau Witten. VVK-Hinweis bei Theater Intern hier

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Gelebtes Leben. Denker der Freiheit im Porträt – Albert Camus

Im Literaturhaus Frankfurt widmen sich Martin Meyer, langjähriger Feuilletonchef der Neuen Zürcher Zeitung und Autor der Camus-Biografie Albert Camus: Die Freiheit leben, und der Philosoph Viet Anh Nguyen Duc, Kenner des französischen Existentialismus, Albert Camus als „Denker der Freiheit“. So lautet der Titel einer Gesprächsreihe, die von dem Frankfurter Publizisten Rainer Hank (FAZ) kuratiert und moderiert wird. Veranstaltet wird sie von Karl-Hermann-Flach-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung. Auf der dortigen Webseite ist zu lesen, die Reihe porträtiere „beispielhaft herausragende Gestalten des Liberalismus“ und weiter: „Eingebunden in ihre Zeit, ausgesetzt den vielfältigen Versuchungen der Unfreiheit, kann gelebtes Leben anschaulich werden. Die Leitfrage der Reihe lautet: Können wir heute mit den Ahnen des Liberalismus noch etwas anfangen? Und falls ja, was denn eigentlich?“

Unzweifelhaft ist, dass die Frage nach der Freiheit eine zentrale im Werk von Albert Camus ist. Darüber, ob man ihn (der enge Beziehungen zur Szene des gewaltfreien Anarchismus gepflegt hat, wie Lou Marin profund nachgewiesen hat) zu Recht als „Ahnen des Liberalismus“ bezeichnen kann, lässt sich wahrscheinlich streiten. Die Protagonisten des Abends sind dafür gewiss versierte Ansprechpartner.

Termin: 23. Mai 2023, 19.30 Uhr, Literaturhaus Frankfurt, Schöne Aussicht 2, Frankfurt/Main. Die Veranstaltung findet als Hybridveranstaltung statt. 
Saalticket 9/6 Euro, Streamingticket 5 Euro. Tickets hier.

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Und auch noch gleich eine kleine Vorschau auf Juni 2023:

Am 8. Juni läuft im Staatstheater Wiesbaden (Kleines Haus) wieder Die Pest mit Darsteller Matze Vogel (Inszenierung: Sebastian Sommer), von der Frankfurter Rundschau als „Eindrucksvolle Ein-Mann-Schau“ gewürdigt. Seit der Premiere im Oktober 2020 wird das Stück dort (abgesehen von der Corona-Pause) mit großem Erfolg gespielt. Unter dem Link oben gelangt man zu Infos und einem Trailer.

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Wie immer: Wenn ihr einen Termin wahrgenommen habt, teilt doch eure Eindrücke hier im Blog, indem ihr einen Kommentar schreibt! Das freut sicher nicht nur mich (sehr), sondern auch die anderen Blogleser und -Leserinnen.

Ich wünsche allen ein schönes Wochenende!

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