Am letzten Tag des Camus-Jahres – Abschied und Neubeginn

Wien, 31. Dezember 2013. Unwiderruflich geht das Camus-Jahr heute zu Ende. Den Rückblick auf das Blog-Jahr hat mir ja dankenswerter Weise Andreas Fasel mit dem Interview in der Welt am Sonntag schon abgenommen. Aber ich will hier doch noch einmal sagen, dass es für mich ein wunderbares Jahr war, das ich in Begleitung von Camus verbracht habe, und vor allem möchte ich allen Blog-Lesern und Kommentatoren für ihre Begleitung danken. Ich habe den Blog vor einem Jahr ohne eine bestimmte Absicht gestartet, nicht wissend, was daraus werden wird und wohin es mich führen wird. Ich habe meine Gedanken und Einträge quasi in den leeren Raum hinausgeschickt – und es war eine überraschende und beglückende Erfahrung, auf so viel Resonanz zu stoßen. Und es tut mir unendlich leid, dass ich vieles davon nicht angemessen beantworten konnte. Blog-Leser haben mir eigene Essays zu Camus geschickt, andere wären gerne in einen kontinuierlichen Gedankenaustausch eingetreten – und ich habe gewiss den einen oder die andere enttäuscht, wenn meine Antwort nur knapp ausfiel oder gar ganz ausblieb. Aber in einem normalen Arbeitsleben lässt sich die frei verfügbare Zeit leider nicht ausdehnen, und in dieser begrenzten frei verfügbaren Zeit müssen und sollen auch noch ein paar andere Dinge und recht viele andere Menschen Platz finden bzw. ihren Platz behalten, die nichts mit Camus zu tun haben. Dennoch gehören die Begegnungen mit Camus-Freundinnen und -Freunden – sei es im virtuellen oder im realen Raum – für mich zu den schönsten Erfahrungen dieses Jahres.

Das jetzt also zu Ende geht. Der Blog war „365 Tage“ auf dieses Camus-Geburtstagsjahr 2013 hin angelegt, und dies müsste mithin der letzte Eintrag werden. Nur: Ich war noch nie gut im Abschiednehmen. Und ich glaube, ich habe mich noch niemals freiwillig von etwas oder jemandem getrennt, was mir ans Herz gewachsen ist. Camus wird mich auch weiterhin begleiten. Warum sollte ich das für mich behalten, wenn es offenbar einigen anderen Menschen Freude bereitet, daran teilzunehmen? Und dann liegen da noch die Bücherstapel, über die ich noch nicht berichtet habe, und es wird auch 2014 noch Aktuelles über Camus in Ausstellungen (z.B. in Bonn) oder im Theater (z.B. in Salzburg und Solingen) zu berichten geben und sicherlich vieles, was sich erst noch übers Jahr auftun wird. Auch das nächste Jahr wird wieder 365 Tage haben. Wer weiß, was sie bringen werden? Um Mitternacht wird eine neue Tür aufgehen. Lassen wir uns doch einfach gemeinsam überraschen – auf ein neues Camus-Jahr 2014!

Bei Camus finde ich wieder einmal einen Eintrag im Tagebuch, den ich eins zu eins übernehmen könnte. Für heute müsste ich nur „Italien“ durch „Wien“ ersetzen:

„Ein zu Ende gehendes Jahr und Italien; die Ungewissheit der Zukunft, aber die unbedingte Freiheit meiner Vergangenheit und mir selbst gegenüber. Darin liegt meine Armut und mein einziger Reichtum. Es ist, als finge ich die Partie von vorne an; weder glücklicher noch unglücklicher. Aber mit dem Bewusstsein meiner Kräfte, der Verachtung meiner eitlen Schwächen und diesem hellsichtigen Fieber, das mich meinem Schicksal entgegendrängt.“ (1)

(1) Albert Camus, Tagebücher 1935-1951. Deutsche Übersetzung von Guido G. Meister. Copyright © 1963,1967 Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, S. 40. Eintrag vom 15. September 1937.

Zum Abschluss noch einige Schnappschüsse aus diesem Jahr, die keinen Eingang in den Blog gefunden haben: Camus in der Ausstellung in Aix-en-Provence, in den Auslagen diverser Buchhandlungen in Frankreich (und die Ausbeute davon daheim), mit Regisseur Joel Calmettes und Marcelle Mahasela, Leiterin des Centre Camus in Aix, am Grab von Camus in Lourmarin sowie mit Catherine Camus. ©Fotos: Anne-Kathrin Reif/Bernard Mahasela

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2 Antworten zu Am letzten Tag des Camus-Jahres – Abschied und Neubeginn

  1. Liebe Frau Reif,
    ich wünsche Ihnen von Herzen ein glückliches 2014. Ihr Blog war ein kleiner, aber höchst interessanter Bestandteil meines Jahres 2013. Für dieses zarte Licht im alltäglichen Getriebe bedanke ich mich bei Ihnen sehr. Meine „Gegenleistung“? Meine besten Freunde haben bereits „Albert Camus – Vom Absurden zur Liebe“, jetzt kommt das weitere Umfeld dran!
    Alles Gute
    Wolfgang Mühlschwein

  2. Petra herrmann sagt:

    Liebe Anne, danke für wunderbare Camusgedanken in diesem Jahr und Euch beiden einen guten Rutsch und liebe Grüsse von der Insel Eure Petra und Helmut

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