Wie man einen wunderbaren Tag preist

Birken, nicht Buchen. Aber aber schön, so in den Himmel zu gucken! ©Foto: Anne-Kathrin Reif

Birken, nicht Buchen. Aber auch schön, so in den Himmel zu gucken! ©Foto: Anne-Kathrin Reif

Panelier, 17. Juni 1947
„Wunderbarer Tag. Ein schaumhaftes, schimmerndes und weiches Licht hüllt die großen Buchen ein. Alle ihre Zweige scheinen es auszuströmen. Die Blattgebinde bewegen sich sanft in diesem blauen Gold wie tausend viellippige Münder, die den lieben langen Tag diesen luftigen gelben und süßen Seim absondern — oder wie tausend kleine gewundene Wasserspeier aus grüner Bronze, die den Himmel unablässig mit einem blauen und funkelnden Wasser begießen — oder auch… aber es reicht.“

 

 

Albert Camus, Tagebücher 1935-1951. Deutsche Übersetzung von Guido G. Meister. © 1963,1967 Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, S. 233f. Le Panelier war ein kleiner, auf 1000 Meter Höhe gelegener Weiler in der Nähe des Ortes Le-Chambon-sur-Lignon im Département Haute-Loire. Die Camus‘ reisten zum ersten Mal 1942 von Algerien aus dorthin. Camus litt unter seiner Tuberkulose-Erkrankung, und sein Arzt hatte ihm geraten, sich im Klima des französischen Hochlandes zu erholen. Madame Oettly, eine Verwandte von  Francine Camus, führte dort auf einem Gutshof eine kleine Pension, wo Camus sich auch 1947 wieder aufhielt.

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1 Antwort zu Wie man einen wunderbaren Tag preist

  1. Willy Stucky sagt:

    Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Eintrag!
    Poesie, Einklang, Liebe: Camus ist nicht der Philosoph des Absurden, obwohl er das Absurde, das unsere Existenz mitbedingt, unerschrocken konstatiert und als eine Konsequenz der Abwesenheit von Poesie, Einklang und Liebe definiert hat.
    Albert Camus war eine Dichterseele „in dürftiger Zeit“ (Hölderlin), und seine Zeit, d.h. sein „Exil“, war so „dürftig“, dass er seine poetischeren Versuche nie veröffentlicht hat. (Es ist übrigens auch unsere Zeit.)
    Kleinode wie „Merveilleuse journée“ behielt er für sich – vielleicht als Steinbruch für spätere Zeiten: „Über den grossen Buchen und um sie herum ein moussierendes Licht, ein Licht wie prickelnder Sekt, das sich aus allen Buchenzweigen zu verbreiten scheint.“
    Und wie sollen wir einen lapidaren Begriff wie „bouquet de feuilles“ übersetzen? „Bouquet de roses“ wäre „Rosenstrauss“ – aber „Blätterstrauss“, das geht doch nicht – und schon sind wir mitten in den Charakteristiken seines unvergleichlichen Stils.
    Camus‘ Landsmann Buffon hatte schon im 18. Jh. darauf hingewiesen, dass der Schreibstil eines Menschen diesen einen Menschen ganz und gar spiegle („Le style est l’homme même.“)

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