Ein ZeitZeichen zum Geburtstag von Simone de Beauvoir

115 ist nicht gerade ein runder Geburtstag, aber das braucht es ja auch nicht unbedingt, um an etwas oder jemanden zu erinnern. Dachte sich wohl auch der WDR und sendet am morgigen Montag, 9. Januar 2023, ein ZeitZeichen zum Geburtstag der am 9. Januar 1908 geborenen und 1986 in Paris gestorbenen Simone de Beauvoir. Der Autor Christoph Vormweg hatte bereits im vergangenen Oktober ein ZeitZeichen zu Albert Camus produziert. Sicherlich wird die Beauvoir darin als Autorin und Philosophin, als Ikone der Frauenbewegung und in ihrem Verhältnis zu Sartre im Mittelpunkt stehen, aber mal schauen, vielleicht kommt Camus ja doch am Rande vor. Das eher kühle Verhältnis zwischen Beauvoir und Camus einmal nachzuskizzieren, ist eines der vielen Themen, die noch auf der langen Blog-Liste stehen… Endgültig getrübt war es nach Erscheinen von Beauvoirs Roman Die Mandarins von Paris, der von vielen als „Schlüsselroman“ angesehen wurde und bis heute wird (was die Autorin selbst freilich bestritten hat). 1954 erhielt sie dafür den renommierten Literaturpreis „Prix Goncourt“. Camus ist in dem Roman in der Gestalt des Henri Perron erkennbar, Sartre in der des Robert Dubreuilh.

Am 12. Dezember 1954 notiert Camus während eines Rom-Aufenthaltes in sein Tagebuch:

„12. Dezember. Eine Zeitung fällt mir in die Hände. Die Pariser Komödie, die ich vergessen hatte. Die Posse des Goncourt. Diesmal für Die Mandarins von Paris. Anscheinend bin ich hier die Hauptperson. In Wahrheit der in seiner damaligen Tätigkeit genommene Autor (Leiter einer aus der Widerstandsbewegung hervorgegangenen Zeitung), und alles übrige ist falsch, die Gedanken, die Gefühle und die Handlungen. Mehr noch: Die zweifelhaften Handlungen aus dem Leben Sartres werden mir großzügig aufgehalst. Abgesehen davon Dreck. Aber nicht absichtlich, gewissermaßen wie man atmet. Fühle mich besser. Grauer Tag. Es regnet auf Rom, dessen gründlich gewaschene Kuppeln schwach schimmern. Mittagessen bei F.G. Abend allein, ohne Fieber.“ *

Interessant in diesem Zusammenhang ist eine sehr ausführliche Kritik zur Veröffentlichung des Romans in deutscher Übersetzung im Spiegel 5.12.1955, die man zur Gänze im Netz nachlesen kann mit dem Titel „Fast ein Meisterwerk“.

Das ZeitZeichen wird gesendet am 9. Januar 2023 auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr), SR 2 KulturRadio: (9.05 Uhr) und NDR-Info: (20.15 Uhr). Als Podcast im Anschluss jederzeit nachzuhören unter: wdr.zeitzeichen-geburtstag-simone-de-beauvoir

Herzlichen Dank an Holger Vanicek von der Albert Camus Gesellschaft für den Hinweis auf die bevorstehende Ausstrahlung des dieses ZeitZeichens!

* Albert Camus, Tagebücher 1951-1959. Deutsche Übersetzung von Guido G. Meister. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 179
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Zehn Jahre 365-Tage-Camus: Bienvenue 2023!

Zehn Jahre lang bin ich auf dem Blog nicht gealtert… Jetzt ist es soweit! Fotos 2013 und 2023: Anke Dörschlen. ©privat

Herzlich willkommen 2023! Ich begrüße das neue Jahr, ich begrüße alle Blog-Leserinnen und Camus-Freunde (und umgekehrt) – und ganz besonders diejenigen, die hier schon von Anfang an mitlesen. „Von Anfang an“, das bedeutet nämlich heute auf den Tag genau zehn Jahre. Zehn Jahre! Als ich den Blog 2013 im Jahr des 100sten Geburtstags von Albert Camus begann, war der Plan, begrenzt auf ein Jahr jeden Tag etwas zu posten. 365 Tage Camus eben. Daraus wurde nichts – 365 Tage sind es 2013 nicht geworden. Dafür aber genau 551 Beiträge in zehn Jahren. Camus-Inspirationszitate, Ankündigungen und Kritiken von Theateraufführungen, Buchbesprechungen, Hinweise auf Vorträge, Lesungen, Ausstellungen, Neuerscheinungen, Reiseberichte auf den Spuren von Camus, Begegnungen, Tagebucheinträge, verstreute Gedanken…

Zehn Jahre „Albert Camus – Vom Absurden zur Liebe“. Im Moment ist es leider vergriffen. ©Fotos: privat

Zehn Jahre 365-Tage-Camus wären ein guter Zeitpunkt gewesen, um einen Schlussstrich zu ziehen, nachdem ich in den vergangenen Monaten ohnehin immer weniger Zeit für den Blog aufbringen konnte. Tatsächlich stapeln sich die Bücher und Themen, von denen ich hier erzählen wollte – und es dann doch nicht geschafft habe. Aber genau das ist andererseits auch ein guter Grund, nicht aufzuhören: Themen gibt es noch reichlich. Ein noch besserer Grund ist die Tatsache, dass es ohne den Blog nie diese wunderbaren Begegnungen mit anderen Camus-Freunden gegeben hätte, die ich nicht missen möchte, und die Resonanz, die ich über Sie und Euch, liebe Leserinnen und Leser, erfahre. Und schließlich bringt der Blog mich selbst dazu, Camus nicht über allzu lange Strecken aus den Augen zu verlieren. Schließlich will jede Freundschaft gepflegt werden, wenn sie lebendig bleiben soll. Sie braucht Austausch, Neugier, das offene Gespräch. Das Gespräch, das ich seit Jugendtagen mit Albert Camus führe, will ich nicht missen. Er hat uns noch sehr viel zu sagen.

Ich freue mich sehr, wenn Sie und Ihr weiterhin mit dabei seid und über jede und jeden, der Camus hier neu für sich entdeckt! Allen ein wunderbares neues Jahr 2023, voll mit Liebe, Licht und Zuversicht! In diesem Sinne: Bonne année à tous et à bientôt!

Wer Lust hat, nochmal zum Anfang zurückzukehren: Zum allerersten Blogbeitrag am 1. Januar 2013 geht es hier: 1. Januar 2013: Auf den Spuren von Camus in Paris

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Caligula metzelt in Berlin und singt in Weimar

Premiere an den Kammerspielen des DT in Berlin wird mit
Trigger-Warnung angekündigt. Nationaltheater Weimar nimmt die Oper von Detlev Glanert wieder auf.

Albert Camus‘ „Caligula“ an den DT-Kammerspielen in Berlin. In der Titelrolle: Elias Arens. ©Foto: Arno Declair

Eine Caligula-Premiere ist für den heutigen 17. Dezember zu verzeichnen. Natürlich längst ausverkauft, weshalb es vielleicht verzeihlich ist, dass sie im Blog erst jetzt auftaucht. Menschen in und um Berlin haben aber immerhin die Chance, an der Abendkasse nach Restkarten zu fragen bei den Kammerspielen am Deutschen Theater Berlin, wo das zentrale Theaterstück von Albert Camus aus seinem Werkstadium des Absurden in der Regie von Lilja Rupprecht heute Premiere feiert. Das Besondere hier: Es handelt sich um die vierte Produktion am Deutschen Theater, in der Ensemblemitglieder des DT und Ensemblemitglieder des inklusiven RambaZamba Theaters gemeinsam auf der Bühne stehen. Vermutlich darf man sich darauf gefasst machen, dass die Inszenierung die Textvorlage auf ziemlich drastische Weise umsetzt, denn die Ankündigung auf der Theaterwebseite enthält eine ausdrückliche Trigger-Warnung: Diese Inszenierung enthält explizite Darstellung körperlicher und sexualisierter Gewalt, was belastend oder retraumatisierend wirken kann.“

Unter dem Button digitales Bonusmaterial gibt es einen lesenswerten Beitrag von Ensemblemitglied Manuel Harder über die bisherige Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen von RambaZamba.

Deutsches Theater Berlin, Kammerspiele: Premiere am 17. Dezember 2022. Weitere Vorstellungen. 22. und 29. Dezember 2022 sowie 9., 15. und 25. Januar 2023. Infos und Tickets hier.

„Caligula“ in der Oper von Detlev Glanert frei nach Albert Camus am Deutschen Nationaltheater Weimar. Szenenfoto mit Oleksandr Pushniak (Caligula) und dem Opernchor des DNT Weimar. Foto: Candy Welz

Während sich in jüngster Vergangenheit viele Theaterbühnen des Caligula-Dramas von Albert Camus angenommen haben, ist der Stoff in musikalischer Fassung eher selten zu erleben. Die Gelegenheit dazu gibt es noch drei Mal am Nationaltheater Weimar: Am 27. Dezember steht dort die Wiederaufnahme der Caligula-Oper von Detlev Glanert an (Libretto: Hans-Ulrich Treichel). „Detlev Glanert schrieb seine 2006 uraufgeführte Oper auf Grundlage des gleichnamigen Dramas Albert Camus. Glanert blickt dabei mithilfe der Musik direkt in das in Unwucht geratene Seelenleben Caligulas. Hierbei funktioniert das Orchester selbst als „musikgewordener Körper“ durch den wir in Caligulas Innenwelt blicken und auch die anderen Protagonist*innen durch seine Augen und Ohren wahrnehmen. Dirk Schmeding hat als Regieassistent am DNT seine Theaterlaufbahn begonnen und kehrt nun als international gefragter Regisseur nach Weimar zurück,“ heißt es auf der Theaterwebseite. Es spielt die Staatskapelle Weimar. Einen Beitrag zu Detlev Glanerts Arbeit am DNT sowie 15 Fragen an Regisseur Dirk Schmeding gibt es im Hauseigenen Theater- und Konzertmagazin »SCHAUPLATZ«, das man auf der Webseite als herunterladen kann (hier als PDF). Einen kleinen Einblick bietet ein Videotrailer.

Nationaltheater Weimar, Großes Haus: Wiederaufnahme am 27. Dezember 2022. Weitere Termine: 6. Januar 2023 und 26. Januar (letzte Vorstellung). Infos und Tickets hier.

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Martin Bretschneiders Abschied von Werther – dringende Empfehlung: nicht verpassen!

Eine Tour de Force der Gefühle: Martin Bretschneiders „Werther“ geht unter die Haut. Am 25. November zum letzten Mal. ©Fotos: Oliver Paolo Thomas

Die Platzzahl im kleinen Theater in der Rottstraße 5 in Bochum ist überschaubar, man sollte sich dringend ein Ticket sichern. Denn am 25. November 2022 besteht die letzte Möglichkeit, Martin Bretschneiders fulminanten Soloabend „Werther“ (nach Johann Wolfgang Goethe) zu sehen: Nach zehn Jahren nimmt der Schauspieler Abschied von der Rolle. Warum es ein schwerer Fehler wäre, diesen Theaterabend zu verpassen, habe ich hier im Blog bereits beschrieben. Ebenso, was das Ganze mit Camus zu tun hat (viel). 365tage-camus wollte wissen, warum Martin Bretschneider die Rolle, die er über einen so langen Zeitraum mit so viel Leidenschaft ausgefüllt hat, aufgibt.

Martin, nachdem du den „Werther“ als Solostück zehn Jahre lang mit großem Erfolg immer wieder gespielt hast, steht jetzt am 25. November im Theater an der Rottstraße in Bochum die letzte Vorstellung an. Warum hörst du auf? 

Martin Bretschneider: Werther ist in einer Zeit entstanden, als mir seine Geschichte sehr nahe war. Die Inszenierung hat mir geholfen, über eine unglückliche Liebesgeschichte hinwegzukommen. Dann hat er mich zehn Jahre lang begleitet. Es war bei den Vorstellungen, als würde ich einen jüngeren Bruder, ein jüngeres Alter Ego treffen. Inzwischen bin ich sowohl künstlerisch als auch privat an einem ganz anderen Punkt und denke, es ist Zeit, Abschied zu nehmen.

Oder wird man gar irgendwann zu alt für den so radikal liebenden jugendlichen Werther? Was ist deine persönliche Meinung: Ist eine solch extreme Hingabe an die eigenen Gefühle ein Vorrecht der Jugend? Wie es bei Camus im Sisyphos heißt: „Eine einzige Liebe, und alles ist verschlungen

M.B.: Das glaube ich nicht. Für radikale Liebe ist man nie zu alt, und sie ist schon gar kein Vorrecht der Jugend. Aber man ist allerdings hoffentlich irgendwann zu erwachsen dafür, sich selbst in den eigenen Gefühlen – besonders im eigenen Schmerz – immer wieder zu bespiegeln, sich geradezu darin zu suhlen, wie Werther es tut. Das hat etwas Egoistisches, was meinem heutigen Bild von Liebe nicht mehr entspricht. 

Du hast den Werther jetzt zehn Jahre lang gespielt – hat sich dein Verständnis der Rolle oder dein Verhältnis zur Figur Werther über die Zeit verändert?

M.B.: Nicht mein Verhältnis zu Werther, aber mein Bild von der Liebe hat sich im Laufe der Jahre sehr verändert, durchaus mehrfach. Zur Zeit der Premiere hatte ich mir geschworen, mich nie wieder so hemmungslos in eine Liebe, eine Beziehung hineinfallen zu lassen. Die ersten Vorstellungen waren damals immer ein Spiel mit dem kaum überwundenen Schmerz. Es war heilsam, mich in dieser Absolutheit und in dieser Sucht, sich den Mitmenschen mitzuteilen, selbst auf die Schippe zu nehmen. Ich würde mich jedoch niemals über ihn lustig machen. Im Gegenteil, ich liebe diesen Werther bis heute. 

Hier im Blog ist schon einiges über die Verbindung Camus-Werther und über die Verbindung Camus-Bretschneider zu lesen… Du arbeitest gerade an einem eigenen Abend zu Camus. Verrätst du schon etwas darüber?

M.B.: Der syrische Pianist Aeham Ahmad und ich bereiten gerade einen Theaterabend unter dem Titel „A Mission For Sisyphos“ vor. Aeham Ahmad hat eine dramatische Flucht aus Damaskus nach Deutschland erlebt. Unsere Performance wird die Absurdität des Umgangs der EU und Deutschlands mit Geflüchteten beleuchten. Die Verzweiflung, das Grauen, das Sterben, aber auch der Kampf und der Mut zum Weitermachen werden im Zentrum stehen. Es geht um die Revolte gegen eine Welt, die so wie sie gemacht ist, nicht zu ertragen ist. (*)

Ganz herzlichen Dank für die so persönliche Beantwortung der Fragen! Ich wünsche Dir schon jetzt viel Erfolg für A Mission For Sisyphos – und toi toi toi für die Werther-Abschiedsvorstellung!

Termin:
Werther. Nach Johann Wolfgang Goethe in einer Fassung von Hans Dreher und Martin Bretschneider. Freitag, 25. November 2022, 19.30 Uhr, ROTTSTR5 THEATER, Bochum. Tickets hier.

(*) „Die Welt in ihrer jetzigen Gestalt ist nicht zu ertragen.“ Albert Camus, Caligula, in: Dramen. Aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1962, S. 21.

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Von Empörung, Revolte, Tomatensoße und Laubsaugern

Gedanken in Assoziation zum morgigen Vortrag bei der
Albert Camus Gesellschaft in Aachen zu Albert Camus‘
Drama Die Gerechten

Wer sich nicht beim rechten Anlass zu empören vermag, dem fehlt eine Dimension des Menschseins.“ Ich saß als junge Studentin im Seminar bei Wolfgang Janke, es ging um Albert Camus, und ich höre heute noch den klaren, unaufgeregten aber ungemein entschiedenen Tonfall, mit dem der bewunderte Lehrer diese Sentenz in den Raum stanzte. An der unmittelbaren Regung der Empörung angesichts von Unrecht und untragbaren Zumutungen, auch dann, wenn diese gar nicht die eigene Person betreffen, zeigt sich, in welchem Maße wir zu Mitmenschlichkeit und Solidarität fähig sind. Im Denken von Albert Camus ist die Kategorie der révolte – zunächst im Sinne von Empörung und schließlich im engeren Sinne der Revolte eine der grundlegenden Kategorien der „Philosophie des Absurden“.

Aber wie genau steht es mit der Empörung, die Menschen heute aus den unterschiedlichsten Beweggründen auf die Straße treibt? Die unfassbar mutigen Menschen im Iran, die gerade nicht aufhören, gegen die Unterdrückung durch die Mullahs zu protestieren, die Frauen dort, die sich öffentlich die Kopftücher vom Haar reißen und dabei ihr Leben riskieren. Die lautstark durch die Straßen ziehenden Impfgegnerinnen und -Gegner und Maskenverweigerer während der Hochzeit der Pandemie, die sich in ihrer Freiheit bedroht sahen, in Kauf nehmend, andere Menschen damit zu gefährden. Die Empörung einer Greta Thunberg – „how dare you!“ – und einer ganzen Generation, die in Sorge über ihre Zukunft auf diesem Planeten ist, über das nicht ausreichend entschlossene Handeln im Angesicht des Klimawandels. Die Empörten, die nicht wahrhaben wollten, dass ihr selbstherrlicher Präsident die Wahl verloren hat (genauso wenig wie dieser selbst) … wie leicht ließ sich aus dieser Empörung eine Revolte anzetteln, die in Washington zum Sturm auf das Capitol geführt hat. Die Liste lässt sich fortsetzen…

Wohin führt uns die Empörungsspirale?

Angesichts solch disparater Beispiele heißt es wohl, einzugestehen, dass der Impuls der Empörung, der doch eigentlich unmittelbar aus einem zutiefst verinnerlichten, möglicher Weise sogar angeborenen Sinn für Recht und Unrecht zu entspringen scheint, tatsächlich gar kein solides moralisches Fundament hat. Dass die Empörung genauso aus purem Egoismus entspringen kann, aus Angst, aus Neid, aus der Zumutung, auf etwas verzichten zu sollen.

Wohin bringt uns die Empörung? Und was wird aus einer Gesellschaft, in der die Empörung immer schneller, immer heißer hochkocht? Man schaue nur in die so genannten sozialen Medien: Wieviel Empörung schlägt einem dort unausgesetzt entgegen – von Fahrradfahrern, Autofahrern, Fußgängern, Gendersprache Befürwortern und Gegnern, Kämpfern gegen „kultuelle Aneignung“, Vegetariern, Veganern, Fleischessern (alles jeweils auch die entsprechenden *innen), ach, es ist endlos; und jeder dieser Posts ruft wieder eine empörte Antwort hervor, immer schneller dreht sich die Empörungsspirale, immer gehässiger und verbal gewalttätiger werden die Erwiderungen, und jeder glaubt die Moralität auf seiner Seite zu haben, egal, ob es um die „höhere Sache“ oder nur um die Verteidigung ureigenster Interessen geht.

Je me révolte, donc nous sommes“ – ich empöre mich, also sind wir – sagt Camus, und das klingt, als würde die révolte immer schon in eins das „Wir“ mit konstituieren, als handele sie immer sogleich im Namen aller und nicht im partikularen Interesse. Dass es so einfach nicht ist, weiß Camus aber auch. In seinem Drama Die Gerechten geht es eben darum. Auch die kleine Gruppe russischer Revolutionäre, die den Anschlag auf den Großfürsten plant, ist überzeugt davon, im Namen des unterdrückten Volkes, ja im Namen aller Menschen zu handeln. Für Stepan, den radikalsten von ihnen, gilt gar „Die Freiheit ist ein Gefängnis, solange ein einziger Mensch auf Erden geknechtet ist.“ *

Wie weit darf die Revolte gehen?

Aber wie weit darf die Revolte gehen? Stepan ist überzeugt davon, dass das Ziel den Einsatz blutiger Gewalt rechtfertigt, auch wenn dabei Unschuldige (in dem Fall Kinder) sterben. Aber die Gruppe ist gespalten.

Wie weit darf die Revolte gehen? Was ist der rechte Ausdruck für berechtigte Empörung? Heiligt der Zweck die Mittel? Die Fragen, die im Mittelpunkt des Dramas Die Gerechten stehen, sind keineswegs abstrakt. Und sie sind nicht historisch fern, denn sie stellen sich jeden Tag neu. Heute zum Beispiel in Anbetracht von blockierten Autobahnen und Kunstwerken, die mit Kartoffelbrei und Tomatensoße attackiert werden, womit Aktivisten auf das drängende Thema des Klimawandels aufmerksam machen und zum Handeln aufrufen wollen. Auch wenn die Frage nicht von gleicher Tragweite ist wie die nach der Bombe auf die Kutsche des Zaren – es geht im Kern um die gleichen Fragen: Wie weit darf man gehen? Ist das Begehen von Unrecht zu rechfertigen, wenn damit größeres Unrecht verhindert werden kann? Wie viel Tomatensoße muss noch auf Bilder geworfen werden, damit auch die ordentliche Hausfrau, deren Schotterweg vor dem Einfamilienhaus am Waldesrand so picobello aussieht wie der frisch gesaugte Wohnzimmerteppich, versteht, dass tägliches Hantieren mit dem Laubsauger im Herbst mitten in der Energiekrise ein kleines Teilchen im großen Problemmosaik ist? Oder verhindert Tomatensoße auf Bildern vielleicht sogar an vielen Stellen das Einsetzen eines Erkenntnisprozesses und löst nur einen Abwehrreflex aus?

Bei Camus lernen wir, dass und warum die Empörung/Revolte unbedingt der Ergänzung durch die Kategorie der Solidarität bedarf – und dass auch dies die Widersprüche nicht auflöst. Die Gerechten sind immer wieder ein guter Anlass, sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen.

Gelegenheit dazu gibt es am morgigen Dienstag bei der Albert Camus Gesellschaft in Aachen. Holger Vanicek, Vorsitzender der Gesellschaft, hält einen Impulsvortrag zum Drama Die Gerechten und lädt zum anschließenden Gespräch ein. „Was macht Sinn? – Was ist erlaubt und wozu bin ich verpflichtet? Würde ich mein Leben für eine kollektive Gerechtigkeit hergeben? Gibt es eine höhere Wahrheit? Es mag spielerisch erscheinen, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen, weil das abstrakte Gedanken sind – doch in Wahrheit betreffen sie uns ständig, wenngleich in den meisten Fällen unbewusst“, sagt Vanicek dazu.

Ich bedanke mich herzlich, dass die AC-Gesellschaft damit mal wieder meinen Blog aufgeweckt hat!

Termin: 8. November 2022, 19.30 Uhr, im LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen. Der Eintritt ist frei, da es sich um eine Kooperationsveranstaltung mit der VHS-Aachen handelt, wird aber um Anmeldung bei der VHS gebeten. Spontane Besucherinnen und Besucher sind aber auch willkommen.

(*) Albert Camus, Die Gerechten, in: Dramen. Aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1962, S. 189.

P.S. Beinahe vergessen… Heute ist ja ein besonderer Tag… Bonne anniversaire, cher Albert Camus! Es wäre sein 109ter. Das habe ich im Beitrag zwar nicht ausdrücklich gewürdigt – aber kann es ein schöneres Geschenk geben als die Gewissheit, dass die eigenen Gedanken noch so lange nachwirken?

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Morgen ein Zeitzeichen: Albert Camus wird mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet

Am morgigen 17. Oktober 2022 wird auf verschiedenen Sendern ein „ZeitZeichen“ von Christoph Vormweg zur Verleihung des Literaturnobelpreises an Albert Camus am 17. Oktober 1957 ausgestrahlt. In der Sendung kommt auch der Vorsitzende der Albert Camus Gesellschaft in Aachen, Holger Vanicek/Sebastian Ybbs zu Wort. Hier die Ankündigung vom SR (Saarländischen Rundfunk – das ZeitZeichen ist eine Kooperation von SR 2 KulturRadio mit dem Westdeutschen Rundfunk):

Albert Camus  (Foto: IMAGO / Leemage)

Freude über einen Nobelpreis? Nichts für Albert Camus! Ein „eigenartiges Gefühl der Niedergeschlagenheit“ befiel den Schriftsteller, als er von der Ehrung hörte. Denn die Nobelpreis-Akademie pflegte Lebenswerke zu würdigen. Er aber wollte den Neuanfang. Die Nachricht von der Verleihung erreichte Albert Camus, den Chronisten des Absurden, in einer tiefen Schreibkrise. Schon länger lästerte man im Pariser Literaturbetrieb, der Autor des Weltbestsellers „Der Fremde“ sei ausgeschrieben und maßlos überschätzt. Auch seine Zerrissenheit als Algerienfranzose lastete auf ihm: wegen des Krieges in seiner Heimat gegen die französische Kolonialmacht. Den blutigen Terror der Befreiungsfront wollte Albert Camus jedenfalls nicht gutheißen. Mit 43 Jahren war Albert Camus der zweitjüngste Preisträger überhaupt. Würde ihn der Literaturnobelpreis lähmen oder inspirieren? Was er nicht wusste: Ihm blieben nur noch gut zwei Jahre, um sich als Schriftsteller zu beweisen. Denn er starb Anfang 1960 bei einem Autounfall. Was würde sich im Nachlass finden? Das Bild ganz oben zeigt Albert Camus (IMAGO / Leemage).

Ausstrahlung Montag 17.10.2022
SR 2 KulturRadio: 9.05 bis 9.20 Uhr
WDR 5: 9.45 bis 10 Uhr
WDR 3: 17.45 bis 18 Uhr
NDR-Info: 20.15 bis 20.30 Uhr.

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„Lo straniero“ – Visconti-Verfilmung von „Der Fremde“ läuft in der Originalversion in Berlin

Im Gefängnis: Marcello Mastroianni als Meursault in Viscontis Verfilmung von „Der Fremde“. ©Editions Gallimard

Ganz auf die Schnelle ein Hinweis für alle Camus-Freunde und -Freundinnen in und um Berlin: Das Arsenal Institut für Film- und Videokunst zeigt am 11. Oktober die selten zu sehende Verfilmung von Albert Camus‘ Roman Der Fremde von Lucchino Visconti in der Originalversion mit englischen Untertiteln. Auf der Ankündigungsseite heißt es:

„Luchino Viscontis verkanntester Film, eine bei ihrem Erscheinen – trotz erstaunlicher Werktreue – sehr gemischt aufgenommene, seither kaum gezeigte Adaption von Albert Camus’ ,Der Fremde‘. Das angeblich Unverzeihliche: Die Schattenwelt, die existentielle Leere, die den gleichgültigen Protagonisten des Buchs umgibt, wird von Visconti mit gewohnt sorgfältig rekonstruierter, realistischer Detailfülle versehen, der ebenso ungreifbare existentialistische Anti-Held mit Psychologie und der Star-Präsenz von Marcello Mastroianni. Das Portrait absoluter Entfremdung, die Geschichte eines sinnlosen Mordes und seiner Folgen, muss sich hier – in typischer Visconti-Manier – den Platz mit einem Gesellschaftsportrait teilen. Viscontis Fremde: Algier in den 1930er Jahren, durchwirkt von Rassismus und Spannungen zwischen den einheimischen Kolonisierten und den französischen Kolonisatoren.“ (Christoph Huber).

Lo straniero. Regie: Luchino Visconti. Italien, Frankreich / 1967 (104 Min. / 35 mm / OmE)

Termin: Dienstag, 11. Oktober 2022, 20 Uhr. Arsenal 1, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin.

Danke an Mark Tykwer für den Tipp!

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Ein bisschen dies und das von Albert Camus im Herbst

In den vergangenen Jahren um diese Zeit hatte ich längst die Camus-Theatertermine für die Herbst-Wintersaison zusammengesammelt – regelmäßig eine schöne Fleißarbeit für die ersten verregneten Sonntagnachmittage… Heute ist ein verregneter Urlaubstag, und mit dem Zusammensammeln bin ich ziemlich schnell durch. Fazit: Nach mehreren Jahren großer Camus-Präsenz an deutschsprachigen Bühnen wird unser Freund offenbar gerade als „abgespielt“ betrachtet. Einzig Die Pest findet sich noch in Bühnenfassungen als Wiederaufnahme beim Hessischen Staatstheater Wiesbaden, und das Deutsche Theater Berlin spielt seine Fassung von András Dömötör aus dem Jahr 2019 noch andernorts, namentlich am 18. November 2022 am Schlosstheater in Fulda (ohne Anspruch auf Vollständigkeit…).

Die Pest am Staatstheater Wiesbaden, mit Matze Vogel. Foto: Karl und Monika Forster

Hessisches Staatstheater Wiesbaden

Die Pest – In einer Fassung von Sebastian Sommer, mit Matze Vogel

Eine „Eindrucksvolle Ein-Mann-Schau“ befand zur Premiere 2020 die Frankfurter Rundschau; in der Frankfurter Neue Presse hieß es: „Vogel rattert die Todesfallzahlen so gleichgültig herunter, dass es einen schaudern lässt. Er hofft und stirbt mit ganzer Kraft und lässt einen Albtraum so beeindruckend lebendig werden, dass er sich viel zu nahe anfühlt.“

Termine: 14. Oktober 2022 (Wiederaufnahme), 20./29./30. Oktober, 27. November. Infos, Trailer und Tickets: www.staatstheater-wiesbaden.de

Božidar Kocevski. Foto: Deutsches Theater Berlin

Schlosstheater Fulda, Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin

Die Pest – in einer Fassung von András Dömötör und Enikő Deés, mit Božidar Kocevski

„Eine starke düstere Parabel mit starken heutigen Bezügen. Regisseur András Dömötör und Enikő Deés haben Camus‘ berühmtesten Roman dramaturgisch brillant für die Bühne adaptiert“, urteilte die Berliner Morgenpost zur Premiere 2019. Mehr (positive) Pressestimmen und Stückinfo auf www. deutschestheater.de

Termin: 18. November 2022, 20 Uhr, Schlosstheater Fulda, Tickets hier

Der Schauspieler Joachim Król ist mit Camus‘ „Der erste Mensch“ auf Tournee. Foto: Stefan Nimmesgern

Immer noch (und das seit 2018) auf Tour sind Joachim Król & l’Orchestre du Soleil mit Der erste Menschdie unglaubliche Geschichte einer Kindheit, am 12. Dezember 2022, 20 Uhr, im Theater Heilbronn. Meine Kritik zur Aufführung 2018 in Düsseldorf hier im Blog.

Schließlich noch ein Hinweis auf ein Kolloquium der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg, es findet am 11. Oktober 2022 von 18 bis 20 Uhr per Zoom statt, sodass die Teilnahme für Interessierte ohne Anreise möglich ist. Das Kolloquium steht unter dem Titel Camus und Sartre – Ist der Existentialismus ein Humanismus?  Es gibt zwei ca. 30minütige Vorträge mit anschließender Diskussion. Der Vortrag von Enno Rudolph lautet: Existentialismus und Humanismus: Divergenzen und Konvergenzen im Ausgang von Sartres Heidegger-Kritik, Helmut Martens spricht zum Thema Albert Camus: philosophischer Literat, literarischer Philosoph und politisch engagierter Intellektueller – Überlegungen zu seiner existenziellen Philosophie. Anmeldungen sind hier möglich: info@humanistische-akademie-bb.de

Helmut Martens kündigt bereits jetzt an, die verschriftlichte Fassung zu seinem Vortrag voraussichtlich noch im Oktober auf seiner Homepage zu veröffentlichen, wo sich bereits weitere Aufsätze zu Albert Camus finden: http://www.drhelmutmartens.de

Und zu guter letzt der Hinweis auf ein Zeitzeichen, das der WDR am 17. Oktober 2022 zum 65. Jahrestag der Bekanntgabe der Literatur-Nobelpreis-Verleihung an Albert Camus produziert. Gesendet wird die etwa 15-minütige Sendung, an dem auch der Vorsitzende der Albert Camus Gesellschaft in Aachen, Holger Vanicek, mitgewirkt hat, auf WDR 5 um 9.45 Uhr, auf WDR 3 um 17.45 Uhr und auf NDR-Info um 20.15 Uhr. Ich bin gespannt!

Hier noch ein Update: Die Literatur und Theaterwerkstatt in Berlin präsentiert am 7. November 2022, 18 Uhr, Die Gerechten als szenische Lesung. Regie: Tuncay Gary. Mit: Beate Golisch, Gabriele Lederle, Robert Köckritz. Michael Misgeld, Arnold Landen. Literatur und Theaterwerkstatt, Zingster Straße 15, 13357 Berlin (Eintritt frei).

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„Der Bußrichter“ – Vortrag zum Roman „Der Fall“ bei der Albert Camus Gesellschaft in Aachen

„Ein Glück, dass es Wacholder gibt, es ist der einzige Lichtblick in dieser Finsternis,“ sagt Jean-Baptiste Clamence, Ex-Advokat und selbsternannter Bußrichter, der in einer Amsterdamer Spelunke namens „Mexico City Bar“ einem nicht näher bezeichneten Gegenüber eine Art Seelenbeichte ablegt. Albert Camus‘ Roman Der Fall ist eine düstere Geschichte, aber auch ungemein scharfsinnig, ironisch, bissig – und oft genug hat man hat das Gefühl, ertappt zu werden, auch wenn einem dieser Clamence, der so schonungslos mit sich ins Gericht geht, dass es schon wieder in Selbstgerechtigkeit umschlägt, nicht sonderlich sympathisch sein muss. Aber er haut halt ganz nonchalant auch Sätze raus wie:

„Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich.“ *

Ein bisschen wie in die Finsternis gefallen angesichts der Herausforderungen des Alltags ist auch der Blog in den letzten Wochen, da hätte auch kein Wacholderschnaps geholfen. Mein Lichtblick ist die Tatsache, dass der Jour Fixe der Albert Camus Gesellschaft in Aachen nach Corona und Sommer bedingter Pause am kommenden Dienstag wieder auflebt und damit auch den Blog wieder mal aufweckt. Holger Vanicek, Vorsitzender der Albert Camus Gesellschaft, wird vor dem gemeinsamen Gespräch einen Impulsvortrag zu dem großartigen Roman Der Fall geben und ausgewählte Passagen lesen.

Wer nicht dabei sein kann, für den gilt die Empfehlung, diesen Roman, der in jüngster Zeit vielleicht unter der allgegenwärtigen Pest ein wenig aus dem Blick geraten ist, selbst (mal wieder) zur Hand zu nehmen!

  • Dienstag, 6. September 2022, um 19.30 Uhr im LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen. Der Eintritt ist frei. Da es sich um eine Kooperationsveranstaltung mit der VHS Aachen handelt, wird um eine Anmeldung gebeten. Link zur VHS-Anmeldung hier.



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(*) Albert Camus, „Der Fall.“ Deutsch von Guido G. Meister. © Rowohlt Verlag 1957, S. 49

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„Ich fühlte mich so voll, so bei mir … so da“  

Mit diesen Worten schilderte der Schauspieler Karl Walter Sprungala sein Empfinden, nachdem er im letzten Jahr Albert Camus‘ Roman Der erste Mensch gelesen hatte. Jetzt ist der Ausnahme-Schauspieler und Charakterdarsteller bei einer Bergsteigertour in den Schweizer Alpen tödlich verunglückt. Karl Walter Sprungala wurde 65 Jahre alt.

Karl Walter Sprungala (1957-2022).

Im vergangenen Herbst hatte er beim Albert Camus Festival in Aachen Camus‘ Caligula  in einer von Sebastian Ybbs als Monolog umgeschriebenen Fassung gespielt und diese Rolle unglaublich eindrucksvoll verkörpert. „Da war ein Gänsehautgefühl inbegriffen“, erinnert sich der Vorsitzende der Albert Camus Gesellschaft. „Wir hatten vor, dieses Stück in sich fortentwickelnden Inszenierungen weiter aufzuführen. Jetzt erscheint uns sein Tod so absurd, weil wir ihn nicht begreifen können und nicht akzeptieren wollen“, sagt Sebastian Ybbs bewegt und ergänzt: „Bei allen Nachrufen, die wir jetzt zu erwarten haben, sollte vor allem eins im Vordergrund stehen: welch ein liebenswerter Mensch er war.“

Karl Walter Sprungala wurde 1957 in Weimar geboren, wuchs aber in Aachen auf. Seine Schauspielausbildung erhielt er an der Hochschule der Künste in Berlin. Im Anschluss spielte er an verschiedenen Theatern wie dem Grenzlandtheater Aachen, dem Nationaltheater Mannheim und in der Waldburg in Hergenrath (Belgien). Von 2000 bis 2005 war Sprungala festes Ensemblemitglied des Theaters Aachen. Nach Jahren der Freiberuflichkeit, in denen er in vielen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen war, war er zuletzt wieder fest ans Theater Aachen zurückgekehrt.

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