„Der Bußrichter“ – Vortrag zum Roman „Der Fall“ bei der Albert Camus Gesellschaft in Aachen

„Ein Glück, dass es Wacholder gibt, es ist der einzige Lichtblick in dieser Finsternis,“ sagt Jean-Baptiste Clamence, Ex-Advokat und selbsternannter Bußrichter, der in einer Amsterdamer Spelunke namens „Mexico City Bar“ einem nicht näher bezeichneten Gegenüber eine Art Seelenbeichte ablegt. Albert Camus‘ Roman Der Fall ist eine düstere Geschichte, aber auch ungemein scharfsinnig, ironisch, bissig – und oft genug hat man hat das Gefühl, ertappt zu werden, auch wenn einem dieser Clamence, der so schonungslos mit sich ins Gericht geht, dass es schon wieder in Selbstgerechtigkeit umschlägt, nicht sonderlich sympathisch sein muss. Aber er haut halt ganz nonchalant auch Sätze raus wie:

„Von einem bestimmten Alter an ist jeder Mensch für sein Gesicht verantwortlich.“ *

Ein bisschen wie in die Finsternis gefallen angesichts der Herausforderungen des Alltags ist auch der Blog in den letzten Wochen, da hätte auch kein Wacholderschnaps geholfen. Mein Lichtblick ist die Tatsache, dass der Jour Fixe der Albert Camus Gesellschaft in Aachen nach Corona und Sommer bedingter Pause am kommenden Dienstag wieder auflebt und damit auch den Blog wieder mal aufweckt. Holger Vanicek, Vorsitzender der Albert Camus Gesellschaft, wird vor dem gemeinsamen Gespräch einen Impulsvortrag zu dem großartigen Roman Der Fall geben und ausgewählte Passagen lesen.

Wer nicht dabei sein kann, für den gilt die Empfehlung, diesen Roman, der in jüngster Zeit vielleicht unter der allgegenwärtigen Pest ein wenig aus dem Blick geraten ist, selbst (mal wieder) zur Hand zu nehmen!

  • Dienstag, 6. September 2022, um 19.30 Uhr im LOGOI, Jakobstraße 25a in Aachen. Der Eintritt ist frei. Da es sich um eine Kooperationsveranstaltung mit der VHS Aachen handelt, wird um eine Anmeldung gebeten. Link zur VHS-Anmeldung hier.



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(*) Albert Camus, „Der Fall.“ Deutsch von Guido G. Meister. © Rowohlt Verlag 1957, S. 49

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4 Antworten zu „Der Bußrichter“ – Vortrag zum Roman „Der Fall“ bei der Albert Camus Gesellschaft in Aachen

  1. PIERRE SCHOTT sagt:

    Bien chère Anne-Kathrin…
    Je me demande comment Camus aurait écrit sa „Chute“ de nos jours – qu’y aurait-il mis ? J’ose m’imaginer qu’il y aurait mis en avant cette mauvaise conscience qui nous empoisonne, les gens de notre génération : que laisserons-nous dans notre sillage ? Le „mépris“ des politiques, le CAC 40, la dernière paire de baskets fabriqués par les petits chinois pressurisés ? Surtout, il se demanderait comment nous en sommes venus à offrir aux nouvelles générations un tel monde !
    Tendresses de Manosque,
    Poétrus

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      cher Poétrus,
      das ist eine interessante Frage… Ich wage mir vorzustellen, dass er uns den Spiegel vorgehalten hätte, indem er mit feiner Ironie auf die Selbstgerechtigkeit gezielt hätte, welche die Diskurse unserer Tage so vergiftet. Gezielt auf all jene, die immer ganz genau wissen, dass sie auf der richtigen Seite stehen, moralisch überlegen wenn sie dies tun und jenes lassen, diese Wörter bannen und jene Sprache sprechen, dieses essen und jenes nicht usw. usw…. obwohl die Welt und alles Geschehen in ihr immer komplexer ist, als es sich mit diesem polarisierenden Denken ordnen und bewältigen lässt…Jedenfalls würde ich es mir erhoffen… Tendresses de Wuppertal, Anne-Kathrin

  2. Christian Obst sagt:

    Das ist das Buch, dass mich in meinem bisherigen Leben am meisten beschäftigt und beeindruckt hat. Ich habe viele Male auch das Hörbuch, gelesen von Bruno Ganz, gehört. Wissen Sie vielleicht, warum es davon weder ein CD noch einen Stream gibt? Nichts gegen Herrn Matthes, aber Bruno Ganz ist mir lieber / vertrauter.
    Oder liegt es vielleicht daran, dass er eine alte Übersetzung liest?

    Mit freundlichen Grüssen

    Christian Obst

    • Anne-Kathrin Reif sagt:

      Lieber Herr Obst, vielen Dank für Ihren Kommentar. Ihre Frage kann ich leider nicht beantworten. Ich kannte bisher nur die Version mit Ulrich Matthes, die mir schon gut gefällt. Aber Bruno Ganz kann ich mir auch sehr gut vorstellen! Muss ich mir unbedingt besorgen! Herzliche Grüße, Anne-Kathrin Reif

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