Albert Camus spricht – mit freundlicher Genehmigung

Gestern nachmittag erhielt ich zwei Mails, die entscheidend dazu beigetragen haben, dass es nun heute doch wieder einen Eintrag in diesem Blog gibt. Die eine kam aus Buenos Aires, wo meine ferne Freundin die angekündigten Lücken in diesem Blog beklagt und mit anrührendem Trotz darauf beharrt, wo „365 Tage Camus“ draufstünde müssten auch 365 Tage Camus drin sein, das sei sonst schließlich wie ein Adventskalender mit nur 15 Türchen. Dass man sich so auf die tägliche Dosis Camus freuen kann wie ein Kind auf die Schokolade im Adventskalender (oder wie es die Kinder zumindest taten, als das tägliche Stück Schokolade noch etwas Besonderes war), hat mich vollkommen entwaffnet.

Zum Glück kam mir da die zweite Mail zu Hilfe, diesmal aus Paris, und ja: Gallimard teilt mit, der die Rechte verwaltende Camus-Estate habe der Verwendung von Camus-Zitaten in diesem Blog zugestimmt. Merci bien! Das ging ja dann doch recht flott, alles in allem. Hätte ich gerade einen zur Hand gehabt, hätte ich mir daraufhin vor lauter freudiger Erleichterung gerne einen Camus-Cognac oder zumindest ein gutes Glas Meursault genehmigt.

Und so darf dann endlich in diesem Blog Camus selbst zu Wort kommen, ganz „freistehend“, ohne das Urheberrecht umgehendes Netz und doppelten Boden. Ich eröffne also hiermit die Rubrik „Zitat des Tages“, und zwar mit einem Zitat zum Thema Freiheit. Die Wahl ist nur einerseits der freien Assoziation geschuldet. Andererseits will ich es den Gerade-erst-Camus-Entdeckern in diesem Blog auch nicht mit einem netten Kalenderspruch leicht machen, sondern ihnen einen schönen dicken Brocken hinwerfen, der ins Zentrum des Denkens von Camus führt. Voilà!

„Das Problem der «Freiheit an sich» hat keinen Sinn. Es ist nämlich auf eine ganz andere Art an das Gottesproblem gebunden. Wissen, ob der Mensch frei ist, verlangt, dass man weiß, ob er einen Herrn haben kann. Die besondere Absurdität dieses Problems kommt daher, dass der Begriff selber, der das Problem der Freiheit möglich macht, ihm gleichzeitig jeden Sinn entzieht. Denn vor Gott gibt es weniger ein Problem der Freiheit als ein Problem des Bösen. Wir kennen die Alternative: entweder sind wir nicht frei, und der allmächtige Gott ist für das Böse verantwortlich. Oder wir sind frei und verantwortlich, aber Gott ist nicht allmächtig. Alle scholastischen Spitzfindigkeiten haben der Schärfe dieses Paradoxons nichts hinzugefügt und nichts genommen.“ (1)

Nun muss man mit einzelnen Zitaten aus dem Sisyphos immer vorsichtig sein, denn der steht nun mal ziemlich am Anfang seines Werkes, und Camus hat das Denken des Absurden immer als Ausgangspunkt und nicht als Endpunkt betrachtet. Über die oben zusammengefasste Klippe der Theodizee ist er allerdings nie hinweggekommen. Und wer wäre das schon?

Jetzt ist es natürlich doch kein „freistehendes“ Zitat geworden, und es hätte der frisch erworbenen Zitier-Erlaubnis gar nicht bedurft. Aber ab morgen! In diesem Sinne: à demain.

(1) Albert Camus, Der Mythos von Sisyphos, Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1959, S. 51
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14 Antworten zu Albert Camus spricht – mit freundlicher Genehmigung

  1. Ich komme auf das Camus-Zitat in der Einleitung dieses Threads zurück.

    Freiheit ist ein Bezugsbegriff. An sich gibt es sie nicht, sondern nur „wovon“ und „wozu“?
    Der Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit ist komplementär. Freiheit ist notwendig für das Neue und Notwendigkeit ist frei von Gründen.
    Gott wird wesensmäßig nicht von Gegensätzen – in höchster Abstraktion auch nicht von dem zwischen Sein und Nichtsein – transzendiert. Die Theodizeefrage als Warum-Frage geht ins Leere, denn wenn Gott alles geschaffen hat, dann auch alle Gründe, so dass er von solchen selbst nicht transzendiert wird. Weltlich gesprochen: Da Gründe als etwas bereits Seiendes das Sein voraussetzen, können solche für dieses selbst und dessen Sosein nicht gelten. Das Sein kann nicht anders sein, da die Möglichkeit eines Andersseins als etwas Seiendes das Sein bereits voraussetzt und daher für dieses selbst nicht gelten kann.

  2. Stefan Mensah sagt:

    Stellen wir uns Gott als Urbaustein vor.
    Als Urbaustein dessen, was am Anfang war. Allerdings: in meinen Augen kann es keinen Anfang ohne ein Ende geben. Es sei denn wir (das Universum im aktuellen Maßstab) sind das Ende. Möglicherweise sind wir nicht das Ergebnis der Schöpfung/Urknalls, sondern der Vernichtung oder der Selbstzerstörung Gottes. Am Ende war er vollkommen, nicht am Anfang. Gott war vollkommen, aber wozu? Ein kaum vorstellbarer, jedoch zur Diskussion gestellter Zustand der Vollkommenheit zerbricht oder zerstört sich selbst zu dem, was wir heute das Universum nennen.
    Gott ist dann in allem. Er kann also nicht über etwas bestimmen, etwas zulassen oder verhindern. Denn alles, was ist, ist auch Gott. Wenn das so ist, was tun wir dann als Gott? Wenn wir alle Gott sind, was hält uns davon ab, göttlich zu handeln?
    Ganz einfach. Wir haben keinen Beweis.
    Und den brauchen wir heute mehr denn je. Und jeder scheinbare Beweis führt uns weg von Gott. Weg von uns selbst. Wir suchen einerseits ferne besiedelbare Planeten, aber schauen unserem Nachbarn nicht mehr ins Gesicht. Dort aber würden wir den Beweis unserer Existenz, unserer Göttlichkeit erkennen, wenn wir es nur glauben könnten. Doch wir wollen Beweise. Und etwas in uns verflucht uns dafür. Denn tief drin wissen wir, dass es ihn nicht geben kann.
    Und dann verfluchen wir unseren Nachbarn, weil er nun auch wegschaut.
    Je länger wir über Jahrtausende darüber nachgedacht haben, desto mehr Theorien und Negationen des Glaubens haben wir hervor gebracht.
    Scheinbar ist nicht jeder Gedanke und jede Handlung dazu angetan, als göttlich relevant betrachtet zu werden. Da könnte man natürlich vieles in Positiv- und Negativlisten gliedern. Vom Hund füttern bis zum Abwurf einer Atombombe reicht so ungefähr die Bandbreite unserer potentiellen Taten.
    Wenn wir Gott sind, sollten wir uns auch entscheiden können.

  3. Alois Klinglmair sagt:

    Herr Sedelmayr ihre für sie so entscheidend notwendige „Erdung des Daseins im Leid“ ist ja letzlich nicht wirklich logisch begründbar und diese darüber hinaus anscheinend bei Jesus auch zu finden, halte ich nicht nur für kühn, sondern für völlig falsch! Das werden ihnen auch neutestamentliche Bibelexegeten bestätigen, aber davon werden sie ja wahrscheinlich nichts halten!

  4. Was ich hier in einigen Forenbeiträgen gelesen habe, krankt m.E. an dem, was ich die neuzeitlich-abendländische Geisteskrankheit nenne: Das Sich-verlieren in der Abstraktion, in der die Begriffe hohl und blutleer werden und das im selben Maß als sich die Welt in Formelgespinste verflüchtigt, der Weltniedergang immer handgreiflicher, aber verdrängt wird.
    Warum denken wir über das Überlebensnotwendige hinaus? Warum haben wir uns Begriffe wie „Sinn“, „Werte“, „Freiheit“, „Wille“ und vor allem „Gott“ gebildet, die uns, rein denkerisch-analytisch genommen, nur im Kreis herum- und also nirgendwohin führen? Wie überhaupt kommt ein Begriff zustande, wie kann aus den materiellen Strukturen (materiell auch wenn sie quanten-„logisch“ aufgefaßt werden) : sinnlicher Reiz – Nerventransport zum Gehirn ein Innewerden, ein Er – leben, d.h. ein differenzierend gewahrwerdendes, reflektionsfähiges Subjekt werden?
    Ich meine, ohne „Erdung“, will sagen ohne den immer erneuten Rückgriff auf den Grundzug unserer Existenz: das Leid, bleiben wir geistig schnell auf der Strecke. „Ich kann und will mir Sisyphus nicht glücklich“ denken. Das nehme ich auch Camus nicht ab. – Bei allen nur- intellektuellen Manövern der Definition und Anwendung beißt sich am Ende stets der Hund in den Schwanz. Wir denken, weil wir suchen und wir suchen, weil wir Orientierung brauchen, das macht den Menschen, sein Eigentliches, aus. Wir bekommen die Orientierung – hier der fundamentale, nicht ableitbare Unterschied zum Tier – nicht wie dieses kraft einer Spezieszugehörigkeit, per Gezeugtsein, mit. – Ich erde mich, wenn ich die Menschen meiner Welt und mich selbst in ihrem Wesen und dementsprechender Schicksalsbedingtheit zu erfassen versuche, anstatt sie nur irgendwelchen (sozialen) Imperativen zu unterwerfen.
    Das scheint mir die große, im gründlichsten Sinn philosophische Tat des Gautama Siddharta, die ihn zum Buddha machte, daß er diese Erdung „Dasein ist Leid“ ins Zentrum allen Studierens und Betrachtens stellte. Dies bezeichnet auch Jesus (nicht den Christus der Christentümer ! ). Dazu bedurfte es keiner religiösen oder philosophischen Doktrin, auch keiner überirdischen Erleuchtung, sondern nur des Heraustretens aus der Abgehobenheit seiner „Welt“ (bei Gautama der väterliche Palast) in die Daseinswirklichkeit, das Augenauftun. Ohne einen Gott mit seinem theologischen Klimbim Willensfreiheit“, „Allmacht“, „Schöpfung“, „Gesetz“ transzendierte sich ihm, Gautama, durch seine Empathie die Lebenswirklichkeit zur nicht mehr aussprech-, definierbaren eigentlichen Wirklichkeit. Der alles bedingende Daseinsgrund ist nun eben nicht bei einer anthropomorphen Überperson (oder deren Erbe Urknall) zu suchen, sondern beim Bewußtsein und die Schöpfung besteht darin, daß es sich aus seiner Absolutheit in all die Vielheit der Individualbewußtseine namens Mensch aufspaltet, was eben wieder das Bewußtsein überhaupt ausmacht. Umgekehrt ergibt das Gesamt aller Bewußtseine jenes Mehr als die Summe aller seiner Glieder, das wir Welt oder Universum nennen und das den Begriff „Kosmos“ erst rechtfertigt, wo besagte Erdung geleistet wird, ohne die die Erscheinungswelt ein bloßes, sich ständig selbst rotierendes Kaleidoskop ergibt.
    Doch damit haben wir den etablierten Buddhismus verlassen und müssen uns, allein und schwindelfrei, über die Grate der Wirklichkeiten wagen – oder eben die Augen verschließen und ewig im Dämmer der Abstraktionen herumhangeln.
    Im übrigen bringt uns die Physik des 20.Jahrhunderts ( mit ihren Zyklotronen etc.) nicht das geringste Erkenntnisphotönchen. Was da als der Weisheit vorletzter Schluß herumgereicht wurde und wird, ist nichts als das aufgetakelte Übertünchen ihres Schiffbruchs: Angetreten im und besessen von dem Glauben, Welt und Wirklichkeit
    durch eine (zubereitete) Empirie auseinanderlegen und dienstbar machen zu können, sind sie ihr wie Wasser durch die Finger entglitten, was sie seither als Geistestiefe verhökert und womit sich die am Kadaver der Christentümer nagenden Geier & Gurus bedienen. Daß die Welt nicht an ihrem Stoff zu fassen ist, wußten bekanntermaßen Gautama, Plato, Jesus und wohl viele, viele andere, die nicht in die Geschichte eingegangen sind. Und sie wußten es, ohne über Atombombe, Totalmanipulation und als Fortschritt verkauften Weltuntergang zu dieser Einsicht zu gelangen. Sie wußten es aus der oben erwähnten Erdung oder Empathie in die Daseinswirklichkeit, ohne welche überhaupt keine Wirklichkeit zustande kommt, eben bloß die siamesischen Zwillinge Abstraktion und Destruktion. Sieht man den Zusammenhang zwischen gigakrimineller „exakter“ Naturwissenschaft und Flucht in scheinheilig-objektiven Erkenntnisanspruch? Stiehlt man sich aus der Lebenswirklichkeit davon, verliert man jede Konkretion und sie kommt umso brutaler durch die Hintertür wieder in die Menschenwelt. Ein paar Brocken Physikgeschichte im Stenogramm:
    1905: Energie-Masse-Äquivalenz
    1927: Unschärferelation
    1945: Hiroshima und Nagasaki
    1951: Wasserstoffbombe, Pazifik als Experimentierfeld
    1986: Tschernobyl (bis heute 5o.000 Tote)
    2011: Fukushima
    20.. : ?

  5. Knut Hacker sagt:

    Theodizeefrage bei Albert Camus

    „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen!“

    Interpretationsversuch:

    Das Sein kann logischerweise nicht anders sein, als es ist. Denn die Möglichkeit des Andereseins ist bereits etwas Seiendes, setzt das Sein also voraus und kann daher für dieses selbst nicht gelten.
    Uns bleibt daher nichts anderes übrig, als diese Kontingenz des Seins hinzunehmen. Man muss sie nicht – wie Camus – Sinnlosigkeit nennen, sondern kann sie ohne Wertung als Sinnfreiheit bezeichnen.Welchen Sinn sollte denn Sinn auch haben?

    Camus Aufforderung: „Man muss sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen!“, verstehe ich daher so, dass das Glück nur darin bestehen kann, nicht nach Sinn zu suchen. So heißt es im „Mythos des Sisyphos“: „…, dass Leben umso besser gelebt werden wird, je weniger sinnvoll es ist.“

  6. wolf sagt:

    Heute morgen las ich in der Süddeutschen Zeitung, dass im Erbgut von Küstenmäusen festgelegt ist, wie sie ihre Wohnhöhle bauen. Es konnte in wissenschaftlichen Versuchen gezeigt werden, dass je nach Veränderung bestimmter Chromosomenabschnitte die Maus zusätzlich zu der Eingangsröhre eine Fluchtröhre anlegte oder nicht. Das mag nun zu Spekulationen über »die Freiheit« anregen; wie sich die Maus dabei fühlt – frei oder nicht frei – können die Wissenschaftler zur Zeit nicht klären.

    In den letzten Kommentaren kam neben den Gedanken zur Freiheit auch ein anderer, ebenso schwer zu fassender Begriff auf: das Böse. 2001 wurde mal wieder ein gesellschaftliches Experiment mit hunderttausenden menschlicher Opfer gestartet, das Böse »the evil« zu greifen und zu vernichten. Dessen hätte es eigentlich nicht bedurft, um festzustellen, das weder die Freiheit noch das Böse als philosophische Begriffe taugen. Es ist aus diesem Blickwinkel heraus also Zeitverschwendung, sich mit der Theodizee zu beschäftigen. Ganz praktisch hilft mir das auch nicht weiter, wenn ein gottesfürchtiger Fundamentalist mir seelenruhig darlegt, dass es in Gottes Sinne ist, mich nun zu töten.

    Vor einigen Tagen fand ich in der Münchner Innenstadt ein Häuflein ambitionierter Protestler, die den Bau einer Moschee verhindern wollen. Kaum hatte ich mich einem der ausgestellten Plakate mit den üblichen Schlagworten genähert, wurde ich auch schon angesprochen. Ich sprach zurück. Dieser Wortaustausch – unter einem Gespräch stelle ich mir etwas anders vor – führte mich zu der Vermutung, dass ich einem Menschen gegenüber stehe, der Angst hat. Ich konnte nicht feststellen, ob es die Angst vor Menschen und ihrer Glaubensvorstellung war, mit denen er bisher keinen Kontakt hatte (abgesehen von den Angestellten im Ferienresort in Ägypten oder Tunesien), oder die Angst im Leben, die wir alle haben.

    Einer meiner Lieblingsfilme ist »Und täglich grüßt das Murmeltier« mit Bill Murray in der Hauptrolle. Unabhängig davon, ob dieser Film nun etwas mit Camus Philosophie zu tun hat (vielleicht der »Der Mythos des Sisyphos«?), ist mir eine Szene ganz besonders gut in Erinnerung geblieben: Als der Protagonist zum wiederholten Mal einem aufdringlichen Versicherungsvertreter begegnet, sieht er nur noch eine Möglichkeit: er nimmt ihn innig in den Arm.

    Zum Ende komme ich noch einmal auf den Begriff der Freiheit zurück. Im Sinne der »Free hugs for all«-Bewegung nahm ich den Protestler in den Arm, und versuchte ihm klar zu machen, dass nicht alle Muslime böse wären. Wir verabschiedeten uns mit dem sicheren Gefühl des gegenseitigen Mißverstehens und dem Eindruck, etwas Gutes getan zu haben.

  7. Tillmann Schaub sagt:

    Klippen der Theodizee III

    Hier noch eine interessante und tagesaktuelle geschnappte Trouvaille, ein weiterer schöner Brocken:

    Die Symbolik von Licht und Schatten bei Albert Camus: Paradigmenanalyse im …
    von Françoise Trageser-Rebetez, Librairie Droz, Geneve, 1995

    siehe S. 267 ff:
    4.5.1.
    „Zeitliches und räumliches „Exil“ für den Abtrünnigen in „Le Renégat“
    Herrscher- und Opferrolle als Ursache des Scheiterns“

    Interessant ist der zufällige tagesaktuelle Bezug zu Camus Ort des Bösen in seiner Abhandlung „Der Abtrünnige“, der Stadt Taghâsa, im heutigen Nord-Mali gelegen und in der Hand al-Quaida zugehöriger Terroristen. Präsident Holland hat nun vor wenigen Tagen entschieden, daß Frankreich selbst nun dort eingreift und gestern gab es Nachrichten über eine mögliche Ausweitung des Konflikts auf Algerien. Während früher die unter übelsten Bedingungen abgebauten Steinsalzvorräte schon im 11. Jahrh. den Reichtum und schlechten Ruf Taghâsas bestimmten, ist es heute zum einen die algerisch/italienische Prospektion nach Erdöl und Erdgas, während zum anderen die terroristischen Aktivitäten al-Quaidas diesen Ort wieder in den Brennpunkt des Interesses rücken. Wahrscheinlich bereitet sich nach Irak und Afghanistan hier in größerer Nähe zu Europa der dritte Arabische Krieg vor. Camus bleibt aktuell, leider in aktueller Realität.

    • Elektra Karaindrou sagt:

      Einige der wichtigsten, völlig eigenständigen Problemlösungen Knut Hackers können wie folgt zusammengefasst werden, wenn man sich der Mühe des Denkens unterzieht:

      Die Theodizeefrage lautet:

      Aus welchem Grund ermöglicht Gott in seiner Allmacht die von den Menschen unverschuldeten Übel, obwohl er doch gut ist?

      Hackers Lösungsvorschläge:

      1)Die Frage nach dem Grund für Gottes Verhalten ist selbstwidersprüchlich, da Gott in seiner Allmacht alles erst geschaffen hat, also auch Gründe, so dass er selbst solchen nicht unterliegt.
      2)Ohne -1 gäbe es nicht +1, sondern nur 1. Ohne Leid gäbe es keine Freude, sondern nur Gefühl.
      3)Die Allmacht Gottes muss es logisch ausschließen, dass Gott auf Güte festgelegt ist. Sie umfasst logischerweise auch die Macht, nicht allmächtig zu sein. Die Güte Gottes kann daher nur bedeuten, dass Gott über den Gegensatz von Gut und Schlecht/Böse, den er ja in seiner Allmacht erst geschaffen hat, erhaben ist. Seine Güte besteht also in seiner Vollkommenheit, in der wir alle aufgehoben sind, auch im Leid.

  8. Tillmann Schaub sagt:

    Klippen der Theodizee II

    Eine Antwort für sich, aber auch für andere, hat ein Zeitgenosse Camus, im Geiste ein „ami allemand“ in düsterster Lage gefunden und uns hinterlassen:

    Dietrich Bonhoeffer, 19.12.1944, Berlin

    Von guten Mächten wunderbar geborgen

    Von guten Mächten treu und still umgeben,
    behütet und getröstet wunderbar,
    so will ich diese Tage mich euch leben
    und mit euch gehen in ein neues Jahr.

    Kehrvers: Von guten Mächten wunderbar geborgen,
    erwarten wir getrost, was kommen mag.
    Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
    und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

    Noch will das alte unsre Herzen quälen,
    noch drückt uns böser Tage schwere Last.
    Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
    das Heil, für das du uns geschaffen hast.

    Kehrvers: Von guten Mächten wunderbar geborgen …

    Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
    des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
    so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
    aus deiner guten und geliebten Hand.

    Kehrvers: Von guten Mächten wunderbar geborgen …

    Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
    an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
    dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
    und dann gehört dir unser Leben ganz.

    Kehrvers: Von guten Mächten wunderbar geborgen …

    Laß warm und hell die Kerzen heute flammen,
    die du in unsre Dunkelheit gebracht,
    führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
    Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

    Kehrvers: Von guten Mächten wunderbar geborgen …

    Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
    so laß uns hören jenen vollen Klang
    der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
    all deiner Kinder hohen Lobgesang.

    Kehrvers: Von guten Mächten wunderbar geborgen …

  9. Tillmann Schaub sagt:

    Klippen der Theodizee

    Wenn man als „Gerade-erst-Camus-Entdecker“ nach den „dicken Brocken“, die Anne da hinwirft, willkürlich schnappt, dann hilft eine ausgedehnte Google Kur und ein bisschen Nachdenken und schon kommen nach ausreichendem Scharren in den gefundenen Texten ausgesprochen hilfreiche Mitdenker wie z.B. Knut Hacker, ein Richter i.R und Student der Quantenphysik, an das Erkkenntnislicht des Ipads: http://knut-hacker.de/1,000000023639,8,1. Die eigene Denkleistung liegt daher naturbedingt nur im irgendwie gesteuerten Schnappen nach genehmen Texten.

    Hier einige Futterbrocken von Herrnr Hacker, einfach so drauflos zitiert: “ “ “ “ “ . . . . .

    Erkenntnistheoretisch gesehen, geht das [Theodizee] Problem von falschen Prämissen aus. Spätestens die modernen Naturwissenschaften haben uns gelehrt, dass unser begriffliches Denken, insbesondere das Denken in Gegensätzen und in den Kategorien von Raum und Zeit, außerhalb des sinnlichen Vorstellungsbereiches versagt.So besteht in der Quantenphysik zwischen Determinismus und Indeterminismus ein Verhältnis der Komplementarität (statistische Kausalität). Freiheit und Notwendigkeit der Willensbildung – ein Vorgang außerhalb unseres sinnlichen Vorstellungsbereiches – schließen sich daher nicht gegenseitig aus. Außerdem setzt der Wille die Zeit voraus, da er auf seine Verwirklichung in der Zukunft gerichtet ist. Zeit und Raum sind aber nach der Relativitätstheorie und der Quantenphysik lediglich Vorstellungen, was bereits Kant erkannt hat . . .

    In ethischer Hinsicht enthebt uns eine Unfreiheit der Willensbildung nicht der Verantwortung für unser Verhalten. Denn die Verantwortung liegt nicht in einer Freiheit der Willensbestimmung, sondern in der eigenen Willensbestimmung, der Selbstbestimmtheit. Die nicht fehlbeeinflussten willensbildenden Faktoren sind Ausdruck der eigenen Persönlichkeitsprägung, des „Charakters“ ( grch.:χαρακτήρ ). Der Mensch hat dafür einzustehen und sieht dies intuitiv auch so. Alles andere würde letztlich bedeuten, dass man sich mit seiner Existenz nicht abfindet („Entschuldige, dass ich geboren bin!“).Schon die bloße körperliche Existenz begründet “Verantwortung“, so zum Beispiel dass man bei einer Begegnung mit anderen gegenseitig ausweicht, um nicht zusammenzustoßen. Tut man das (bewusst) nicht, fühlt man sich im Falle eines Zusammenstoßes ganz selbstverständlich mitverantwortlich.
    Die Freiheit des Willens ist also allenfalls transzendental (Schopenhauer a.a.O. : „ Die FREIHEIT ist also durch meine Darstellung nicht aufgehoben, sondern bloß hinausgerückt, nämlich aus dem Gebiete der einzelnen Handlungen, wo sie erweislich nicht anzutreffen ist, hinauf in eine höhere, aber unserer Erkenntniß nicht so leicht zugängliche Region: d.h. sie ist transcendental“), in Gottes Gnade begründet (Luther).Doch können diese Bereiche logischerweise nicht mehr von Gegensätzen wie Freiheit und Notwendigkeit transzendentiert werden …

    Jede Begrifflichkeit, die ja lediglich Abstraktion ist, ist ungenau (Man denke auch an die Quantenphysik, wo sich nach der Heisenbergschen Unschärferelation Ort und Impuls eines Elementarteilchens – ontologisch bedingt – nicht zugleich beliebig genau bestimmen lassen).
    Bei genauer Betrachtung ist.alles ungenau und alle Grenzen verschwimmen. Gehörten diese zum einen oder zum anderen voneinander Abgegrenzten oder zu beidem, wären sie keine Grenzen, weil sie im Abgegrenzten aufgingen..Gehörten sie weder zum einen noch zum anderen,wären sie ebenfalls keine Grenzen, sondern etwas – wenngleich unendlich teilbares – Drittes zwischen dem Getrennten.Es gibt sie also überhaupt nicht, ebenso wenig wie die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,wo dies besonders offenkundig wird. Daher ist alles eines und dieses Eine mangels Identität (es kann ja nicht von etwas anderem unterschieden werden) nichts. Dieses Nichts kann es aber nicht geben, da es sonst ja doch etwas wäre.
    Es bleibt dabei:Alle Begriffe sind Abstraktionen und daher im Konkreten bei genauer Betrachtung unscharf . . . “

    Nach diesem vielen Futterangeboten soll erst einmal Schluss sein, Übersättigung birgt die Gefahr von Reflux.

    • Knut Hacker sagt:

      Damit es auch jedem verständlich erscheint, fasse ich zusammen und bitte um Hinweis, wer diese Lösungsvorschläge schon einmal angeboten hat.

      Die Theodizeefrage lautet:

      Aus welchem Grund ermöglicht Gott in seiner Allmacht die von den Menschen unverschuldeten Übel, obwohl er doch gut ist?

      Diese Frage gilt seit Kant als unlösbar.

      Trotzdem stelle ich hier noch einmal meine Lösungsvorschläge zur Diskussion, denn auch blinde Hühner finden manchmal ein Korn. Ich bemühe mich um äußerste Knappheit, weil mein früherer Beitrag wegen seiner Länge offensichtlich abschreckend gewirkt hat.

      1)Die Frage nach dem Grund für Gottes Verhalten ist selbstwidersprüchlich, da Gott in seiner Allmacht alles erst geschaffen hat, also auch Gründe, so dass er selbst solchen nicht unterliegt.
      2)Ohne -1 gäbe es nicht +1, sondern nur 1. Ohne Leid gäbe es keine Freude, sondern nur Gefühl.
      3)Die Allmacht Gottes muss es logisch ausschließen, dass Gott auf Güte festgelegt ist. Sie umfasst logischerweise auch die Macht, nicht allmächtig zu sein. Die Güte Gottes kann daher nur bedeuten, dass Gott über den Gegensatz von Gut und Schlecht/Böse, den er ja in seiner Allmacht erst geschaffen hat, erhaben ist. Seine Güte besteht also in seiner Vollkommenheit, in der wir alle aufgehoben sind, auch im Leid.

  10. Wenn ich den Brocken richtig verstehe, geht er von einer Annahme aus, die ich zumindest für diskussionswürdig halte: Entweder der Mensch entscheidet oder Gott. Was wenn der Mensch auch ohne Gott trotzdem nicht frei ist, weil es nur eine chemische Reaktion in seinem Kopf ist?

    • Knut Hacker sagt:

      Diese Alternative habe ich eigentlich nicht diskutiert – in Bezug auf Gott würde es sich um einen Anthropomorphismus handeln – , sondern die Frage des „freien Willens“, den Albert Camus ja abgelehnt hat.

      Ich halte den Begriff des „freien Willens“ – zu unterscheiden von dem der – objektiven „Handlungsfreiheit“ – für selbstwidersprüchlich.
      Schon Schopenhauer hat in seiner Preisschrift über den freien Willen darauf hingewiesen – Einstein hat dies zu seinem Lieblingssatz erwählt – , dass wir zwar tun können. was wir wollen (Handlungsfreiheit), aber nicht wollen können, was wir wollen. Der Wille ist einfach da, wenn die ihn bildenden Faktoren wie Veranlagung, Erfahrung, Wertpräferenzen aufgrund Sozialisation, Abwägung, Emotion usw. zu ihm geführt haben. Man kann nicht unter Willensmöglichkeiten auswählen, ohne dabei den zu wählenden Willen bereits zu haben. Der Wille ist also nicht von seinen Ursachen frei (das wäre Willkür). Auch wenn man ihn nicht ausführt, liegt dem ein neu gebildeter Wille zugrunde.

      Wovon also soll der Wille frei sein? Doch nicht von seinen Ursachen. Dann aber ist er subjektiv zwingend! Freiheit ist ( wie auch Abhängigkeit) ein Bezugsbegriff. Er gibt erst Sinn in Bezug auf sen Objekt, also in Bezug auf das , wovon etwas frei sein soll.

      Die Befürworter des freien Willens argumentieren von den angeblichen Konsequenzen her: Ohne freien Willen gäbe es keine Verantwortung. Das aber ist ein Irrtum, wie schon Martin Luther in seiner Streitschrift gegen Erasmus von Rotterdam – „De servo arbitrio“ – dargelegt hat. Auch unser Strafrecht geht für die Verantwortlichkeit nicht von der Willensfreiheit, sondern von der persönlichen Zurechenbarkeit des Handelns aus , die nur bei nicht beherrschbaren äußeren ( Gewalt, Drohung, Täuschung) oder inneren (geistige und psychische Störungen) eingeschränkt oder aufgehoben ist (§§20f StGB).

      Auch wenn der Wille also nur eine „chemische Reaktion im Kopf“ sein sollte, Wären wir für unser Verhalten verantwortlich, denn dessen Ursachen sind in ihrer Gesamtheit nichts anderes als unser Ich, unsere individuelle Persönlichkeit.

  11. Wolf sagt:

    Schön, dass es quengelnde Freunde gibt. Und noch schöner, dass es nun jeden Tag wieder einen Eintrag gibt, auf den der Geist sich freuen kann wie der Gaumen auf ein Stück Schokolade.

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