Eine Hommage an die Schönheit und das Licht – Oliver Jordans Camus-Bilder im LVR-Museum Bonn

Römische Ruinen in Tipasa. ©Foto: Maurice Cox

Oliver Jordan: Römische Ruinen in Tipasa. ©Foto: Maurice Cox

So, jetzt aber schnell: Hier kommt die Planung fürs Wochenende. Es scheint nämlich ein ideales Ausstellungsbesuchswochenende zu werden, und schließlich will ich nicht schuld daran sein, dass Sie die Camus-Ausstellung von Oliver Jordan im LVR-Landesmuseum Bonn verpassen, nur weil ich es bislang versäumt habe, darüber zu berichten. Tatsächlich hatte ich die Ausstellung schon im Juli kurz vor meiner Abreise nach Paris besucht, aber dann hat Paris einfach alles verschluckt, was nicht Paris war. Paris, diese „Parade von Steinen und Wasser“, Paris, diese „formlose, graue Wucherung der Erde“, wie Camus die vermeintliche Cité de lumière wenig enthusiastisch beschrieb. Nie hat ihn die Sehnsucht nach dem mittelmeerischen Licht verlassen, nach der Sonne, dem Meer und jenen Orten, wo im Frühling die Götter wohnen…

Eben davon handelt die Ausstellung Hochzeit des Lichts – Eine Hommage an Albert Camus. Oliver Jordan stellt diesen „mittelmeerischen“ Camus in den Mittelpunkt seiner Malerei – und er tut das seit mehr als 30 Jahren. Zu einer Zeit, als noch das Etikett des „Philosophen des Absurden“ scheinbar unauflöslich am öffentlichen Bild von Camus pappte, und man ihn sich stets mir einer filterlosen Zigarette im Mundwinkel mit Sartre diskutierend in den Existenzialisten-Kellern von Paris vorstellte, begab sich Oliver Jordan auf die Spuren von Camus in dessen algerischer Heimat und suchte (und fand) jenen Camus, der in seinen Essays Hochzeit des Lichts und Heimkehr nach Tipasa das geradezu mystische Einswerden mit der Natur beschreibt und der materialistischen Fortschrittsgläubigkeit des 20. Jahrhunderts eine griechisch geprägte Philosophie des Maßes entgegensetzt, die Natur und Geschichte in Einklang zu bringen sucht.

Oliver Jordan: Weg der Philosophen, Tipasa. ©Foto: Maurice Cox

Oliver Jordan: Weg der Philosophen, Tipasa. ©Foto: Maurice Cox

Die großformatigen Bilder von Camus‘ Lieblingsorten, den römischen Ruinen von Tipasa und Djemila, fallen sofort ins Auge, wenn man die weitläufige obere Ausstellungsetage im LVR-Landesmuseum in Bonn erklommen hat. Das leuchtende Blau von Himmel und Meer im Kontrast zum gelben Sandstein der Ruinen, gleißende Helligkeit, in der Steine und Landschaft, Himmel und Meer in diffusem Weiß verschwimmen, fast schwarze Äste knorriger Olivenbäume, die in den Bildraum ausgreifen – harte Kontraste, Licht und Schatten prägen die Bilder, die Titel tragen wie Der Weg der Philosophen oder Treppe zum Licht. Diese Bilder nur aus einem womöglich als ideal empfundenen Abstand heraus zu betrachten – jener Entfernung nämlich, in der sich in perfekter Gegenständlichkeit alles zusammenfügt – wäre ein schwerer Fehler. Man könnte sie fast als zu süßlich, als zu gefällig empfinden – naturalistische, schöne Bilder von schönen Orten, die ein wenig aus der Zeit gefallen sind.

Aber der Malerei von Oliver Jordan muss man sich nähern, man muss auf Tuchfühlung mit ihr gehen. Eigentlich muss man sie sogar anfassen – was das Museumspersonal aber vermutlich anders sieht. In Gegenwart des Künstlers freilich darf man es; die Besucher, die an einer Führung mit ihm teilnehmen, fordert er sogar ausdrücklich dazu auf. Es ist eine sinnliche Malerei, die man nicht nur sehen sondern erspüren muss: Nachspüren wie der Künstler die Farbe gleich pfundweise auf die Leinwand auftürmt, wie er die weiche Masse mit heftigen, entschiedenen, vielleicht sogar wütenden Bewegungen bearbeitet und ihr plastische Form verleiht, und wie sich in der Nahsicht alle Gegenständlichkeit auflöst in der Abstraktion. Ebenso wahr wie die Schönheit der Erscheinungen, die sich mit einigem Abstand zeigt, ist ihre zerrissene, ja zerschundene Oberfläche. Oliver Jordans Gemälde leben von dieser Spannung. Die Zerrissenheit wird nicht geleugnet, die Verwerfungen werden nicht geglättet – aber es wird auch zusammengefügt. Oder anders herum: Oliver Jordans Malerei ist zwar erklärter Maßen eine Hommage an die Schönheit, aber die Zerrissenheit und die Verwerfungen werden nicht geleugnet (wozu auch die häufige Verwendung von einfachem, gebrauchten Verpackungskarton als Malgrund nicht unerheblich beiträgt). Ein Spannungsverhältnis, das generell charakteristisch für Jordans Malerei ist, nicht nur für seine Camus-Bilder – aber hier bildet es in besonderem Maße eine vortreffliche Entsprechung zur Philosophie von Camus. L’envers et l’endroit, Licht und Schatten, keine Liebe zum Leben ohne Verzweiflung am Leben. Der Zwiespalt des Absurden und das Einheitserleben in der Hingabe an die Natur. „Man muss den Riss sehen, um ihn überwinden zu können“, sagt Oliver Jordan.

Albert Camus. ©Foto: Maurice Cox

Albert Camus. Porträt von Oliver
Jordan. ©Foto: Maurice Cox

In den Camus-Porträts kommt diese Spannung, die unterschwellige Zerrissenheit aber auch eine durch die Malerei vermittelte geradezu körperlich spürbare Vitalität fast noch mehr zum Tragen. Naturgemäß sind diese Porträts nach Fotografien entstanden, einige davon nach ikonographischen, durch unzählige Reproduktion schon im Bildgedächtnis des Betrachters fest verankerte Fotografien wie jenes von Cartier-Bresson, Camus mit Zigarette und hochgeschlagenem Mantelkragen. Doch während die berühmten (und auch weniger berühmten) Fotografien nicht mehr sind als eine Momentaufnahme und Moment-Ansicht, gewinnen die Porträts durch die Malerei im buchstäblichen Sinne eine Vielschichtigkeit, Komplexität, Widersprüchlichkeit und Ungreifbarkeit, welche die Persönlichkeit von Camus geradezu lebendig werden lässt – ohne sie dabei auf eine bestimmte eingeschränkte Sichtweise festzunageln. Es ist seltsam, weil ich das selbstverständlich überhaupt nicht beurteilen kann, ohne Camus selbst gekannt zu haben – und doch habe ich beim Betrachten der Camus-Porträts von Oliver Jordan spontan das Gefühl: Diese Bilder werden ihm gerecht.

Auf jeden Fall lohnt der Weg in die Bonner Ausstellung. Zusammen mit den schön ausgewählten Camus-Zitaten und der Camus umgebenden „Ahnengalerie“ von Philosophen wie Nietzsche, Seneca, Platon, Epikur und anderen lässt es sich in dem weiten, lichten Ausstellungsraum gut eintauchen in Camus‘ Welt, wo auch inmitten von trüben und regnerischen Tagen ein unbesiegbarer Sommer herrscht.

Info zur Ausstellung
Die Ausstellung Hochzeit des Lichts – Eine Hommage an Albert Camus entstand aus Anlass des 100. Geburtstages von Albert Camus 2013 in Kooperation des LVR-Museums Bonn und der Kulturhauptstadt Marseille/Provence 2013 und war bereits 2013 in Aix-en-Provence zu sehen. Noch bis zum 14. September im LVR-Museum Bonn, Colmantstr. 14-16 . Geöffnet: dienstags bis freitags und sonntags 11 bis 18 Uhr, samstags 13 bis 18 Uhr. Weitere Infos hier.

Das zur Ausstellung erschienene 160 seitige Katalogbuch mit Beiträgen u.a. von Willi Jung, Theo Roos und einem ausführlichen Interview mit dem Künstler ist ausgesprochen lohnenswert und verdient hier noch eine eigene Besprechung (Kehrer Verlag, Heidelberg, 49,90 Euro).

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3 Antworten zu Eine Hommage an die Schönheit und das Licht – Oliver Jordans Camus-Bilder im LVR-Museum Bonn

  1. Anne-Kathrin Reif sagt:

    Liebe Frau Dr. Schlette, die Ausstellung ist mir leider auch entgangen. Herzlichen Dank für den interessanten Katalog-Hinweis! Ihnen und Ihrem Mann noch ein schönes Wochenende und herzliche Grüße aus Wuppertal, Ihre Anne-Kathrin Reif

  2. Dr. Ruth Schlette sagt:

    Eine ganz andere Ausstellung ist uns leider entgangen – wohl auch Ihnen, liebe Frau Reif? „Camus et les peintres d´Algérie, une longue amitié (1930-1960)“ wurde im Januar 2014 im Centre Berthelot in Lyon gezeigt. Veranstalter waren „Coup de Soleil en Rhône-Alpes“ und „Diwan en Lorraine“, Kuratorin Florence Khammari.

    In Zusammenarbeit mit Guy Basset und Odile Teste gab Florence Khammari den anspruchsvollen Katalog heraus, in dem es viel zu entdecken gibt. 18 €, ISBN 9 782954 968605.

    Weil ich im Internet nicht fündig wurde, schickte ich das Geld für Katalog und Porto in einem Briefumschlag an den „Diwan de Lorraine“. Es hat eine Weile gedauert – aber dann kam das schöne Buch mit einem handschriftlichen (!) Brief der Kuratorin: „J´ai le plaisir de vous envoyer le catalogue…“ Wie aus einer anderen Welt!

    Sie können es ja auch probieren. Hier die Anschrift:
    Mme Florence Khammari
    pour Diwan en Lorraine
    14, rue du cheval blanc
    F – 5400 Nancy

    • claudie menini sagt:

      Liebe Frau Dr Schlette,
      Sie sind schneller als ich gewesen. Ich hatte vor, dieses wundershönes Buch an Ihnen zu schenken !!! Frau Odile Teste gehört dem „conseil d’administration“ der R.M.A.C.und hat tatsächlich eine feine Arbeit geleistet.
      Bien amicalement.
      C.Menini

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