Von lächelnder Verzweiflung und Trunkenheit beim bloßen Anblick eines Hügels in der Abendluft

„Mai. Sich nicht von der Welt lossagen. Man kann sein Leben nicht verfehlen, wenn man es ins Licht stellt. Mein ganzes Bemühen zielt in allen Lagen, in Unglück und Enttäuschung darauf ab, wieder Beziehungen herzustellen. Und sogar während diese Traurigkeit in mir wohnt, welch ein Verlangen, zu lieben, und welche Trunkenheit beim bloßen Anblick eines Hügels in der Abendluft.

Beziehungen zum Wahren: zunächst zur Natur, dann zur Kunst der Menschen, die begriffen haben, und zu meiner eigenen Kunst, wenn ich dazu fähig bin. Sonst liegen Licht und Wasser und Trunkenheit noch vor mir, so wie die feuchten Lippen des Verlangens.

Lächelnde Verzweiflung. Ausweglos, aber sie übt ohne Unterlass eine Herrschaft aus, von deren Vergeblichkeit ich weiß. Die Hauptsache: sich nicht verlieren und das nicht verlieren, was von sich in der Welt schlummert.”

Albert Camus, Tagebücher 1935-1951. Deutsche Übersetzung von Guido G. Meister. © 1963,1967 Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, S. 20. Eintrag von Mai 1936.

 

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