Caligula lebt

„Caligula aufbrausend, mit wütender Stimme: Die Liebe, Caesonia! (…) Ich habe erfahren, dass die Liebe nichts ist. (…) Leben, Caesonia, leben ist das Gegenteil von lieben. Ich bin’s, der dich einlädt zu einem Fest ohne Maß, zu einem Generalprozess, zum schönsten aller Schauspiele. Und ich brauche Leute, Zuschauer, Opfer und Schuldige. Er wirft sich auf den Gong und beginnt pausenlos darauf einzuhämmern. Die Schuldigen sollen eintreten! Ich brauche Schuldige. Und sie sind alle schuldig. Er hämmert fort. Die zum Tode Verurteilten sollen hereinkommen! Publikum! Ich will mein Publikum! Richter, Zeugen, Angeklagte, alle sind sie im voraus verurteilt! Ah, Caesonia, ich werde ihnen zeigen, was sie noch nie gesehen haben: den einzigen freien Menschen in diesem Reich!” (1)

Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti verbreitete heute folgende Meldung:
Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un hat am 20. August 2013 rund ein Dutzend Künstler öffentlich hinrichten lassen, weil sie angeblich in pornographischen Videos mitgespielt hatten. Weiteres Vergehen: Bei einigen von ihnen wurden Kopien der Bibel gefunden, die in Nordkorea verboten ist. Die Künstler waren drei Tage zuvor verhaftet worden. Unter den Getöteten ist auch Hyon Song Wol, ein Star des populären Pochonbo Electronic Ensembles und Ex-Geliebte des Diktators. Die Hinrichtung mit Maschinengewehren erfolgte im Beisein der Angehörigen, die anschließend in Straflager verbannt wurden (Quelle: RIA Novosti).

(1) Albert Camus, Caliugula, in: Dramen. Aus dem Französischen übertragen von Guido G. Meister. Rowohlt-Verlag, Reinbek b. Hamburg 1991, S. 28.

 

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